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Aktuell

1. Juli 2007

Lebendig, kräftig und schärfer

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Religion ist scheinbar wieder gefragt. Die Medien verweisen auf die Großereignisse in Köln. Erst der katholische Weltjugendtag und jetzt der evangelische Kirchentag, zu dem insgesamt auch mehr als eine Million Besucherinnen und Besucher kamen. Tatsächlich scheint der Kirchentag die Talsohle durchschritten zu haben: Die Teilnahmezahlen steigen wieder, die Präsenz in den Medien war nahezu perfekt, und die Botschaft gewinnt an Profil. Spiritualität und Weltverantwortung gehören untrennbar zusammen, das betonte auch Kirchentagspräsident Reinhard Höppner. Auch ihm ist es zu verdanken, dass der Kirchentag seinem Motto „Lebendig und kräftig und schärfer“ gerecht wurde.

Aber ist dies alles wirklich Indiz für eine Renaissance der Religion? Richtig ist, dass der Religion wieder vorurteilsfreier begegnet wird. Die Generation mit den Problemen eines Tilmann Moser, der von „Gottesvergiftung“ sprach, ist nicht mehr prägend. Auch die „Gott ist tot-These“ hat sich überlebt. Heute findet man zum Beispiel im evangelischen Kindergarten Eltern, die beobachten, zuhören und Fragen stellen. Das ist zwar keine neue Gläubigkeit, aber doch eine neue Offenheit für Glaubensfragen.

In den Medien ist Ähnliches zu beobachten. Das Wort der Kichen findet wieder Gehör. Die christliche Meinung ist gefragt – ob es um Gentechnik oder Ehescheidung geht. Man billigt den christlichen Kirchen bei solchen ethischen Fragen eine moralische Kompetenz zu. Ohne Zweifel sind das erfreuliche Entwicklungen.

Trotzdem kämpfen beide Kirchen mit Mitgliederschwund und zurückgehenden Kirchensteuereinnahmen. Die Religion als sinnstiftendes System verliert weiter an Einfluss. Denn der eigentliche Wert einer Gesellschaft, die sich im globalen Konkurrenzkampf befindet, heißt „Gewinn“, heißt „Geldmaximierung“.

Nicht die Religion, sondern die Hoffnung auf harte Euros gewinnt im Weltbild der Menschen an Einfluss. Das gilt übrigens auch für Migrantenfamilien, wo man diesem Trend zuweilen nur mit einer unerbittlichen Rückbesinnung auf die Tradition vermeint entgegenwirken zu können.

Nur wenn sich die Kirche lebendig, kräftig und schärfer in die Debatte über Mindestlöhne, Renten und Gesundheitsreform einmischt und gleichzeitig ihre Spiritualität glaubhaft lebt, wird sie sich dem Trend zur Säkularisierung entgegen stemmen können. Dann können lebendige Gottesdienste wie der zum Abschluss des Kirchentages Lust machen auf mehr Kirche.

p(autor). Kurt-Helmuth Eimuth

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Juli 2007 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

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Kommentare zu diesem Artikel

  • Klaus Philipp Mertens schrieb am 4. Juli 2007

    Für Ihren Kommentar danke ich Ihnen sehr herzlich. Drückt er doch aus, was ich selbst im säkularen Raum täglich erlebe. Die Kirchen gelten einerseits als moralische Instanz. Aber andererseits wartet man auf ihre klaren Stellungnahmen zu den Fragen und Problemen der Gegenwart, weil die politischen Parteien und andere gesellschaftliche Gruppen vielfach Botschaften ohne Inhalt anbieten. Doch man wartet vergeblich auf klärende Worte der Kirchen. Und die Euphorie der Kirchentage ist schnell verflogen. An der Basis, in den Gemeinden, ist Gott schon millionenfach gestorben.
    Es mag sein, dass die Kirchenaustritte prozentual und real zurückgegangen sind und dass Ausgetretene auch wieder eintreten. Aber wie viele Menschen hat die Kirche nicht schon verloren? Die Hochrechnungen der EKD erwarten bis zum Jahr 2030 fast acht Millionen Mitgliedern weniger gegenüber dem heutigen Stand. Die evangelischen Landeskirchen entwerfen Szenarien, die allesamt das Ende der Volkskirche als (gott-) gegeben annehmen und hinnehmen; darunter auch die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. An einen neuen Aufbruch, gar an eine Umkehr (Umkehr – altgriechisch Mentanoia – ist ein zentraler Begriff in der Theologie) denkt kaum einer. Und ich hege den Verdacht, dass die Kirchenleitungen das noch nicht einmal glaubend in Erwägung ziehen.
    Zugegeben: Es ist schwer, den Menschen eine Hoffnung anzubieten, die in einer von materiellen Dingen geprägten Welt auf ideelle Werte setzt. Aber es gibt Anknüpfungspunkte: Dauer- und Altersarbeitslosigkeit, ungerechte Entlohnung, Altersarmut, Zweiklassen-Krankenversicherung.
    „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seind.“ Das ist nicht der neueste Slogan der Linken, sondern ein Wort Jesu. Und dieses Wort beschreibt den Standort der Christen und der Kirchen. Es ist die Verheißung und damit das Brot der Kirche.
    Heinrich Böll hat vor über vierzig Jahren in seinem „Brief an einen jungen Katholiken“ bereits gemutmaßt, dass uns die Kirche dieses Brot vorenthält. Er scheint Recht behalten zu haben.
    Um so wichtiger ist es, im „Evangelischen Frankfurt“ eine pointierte Meinung lesen zu können. Auf eine kalorienreduzierte Kost á la ECHT oder CHRISMON kann ich darum gern verzichten.