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1. November 2007

„Bestens integriert“

p(einleitung). „Gastarbeiter“ erzählten­ aus ihrem Leben

Domenico Daddato, geboren 1935 in San Michele, Apulien, kam 1955 mit dem ersten offiziellen Gastarbeitertransport aus Italien nach Frankfurt. Von den aufregenden Stationen der endlich genehmigten Ausreise erzählte der heute 72-Jährige im Evangelischen Zentrum für Beratung und Therapie im Haus am Weißen Stein. Eingeladen waren zum Erzählen bei Wein und Musik außerdem einer der ersten griechischen Gastarbeiter, Serantis Biscaz, sowie Jean Claude Diallo, Integrationsdezernent mit afrikanischen Wurzeln.

Infolge des von Bundeskanzler Konrad Adenauer erfundenen „Rotationsprinzips“ für Gastarbeiter musste Daddato Deutschland anfangs jedes Jahr vor Weihnachten verlassen und durfte erst am 1. April wieder einreisen: Erst 1961 wurde diese aus menschlicher wie betriebswirtschaftlicher Sicht unsinnige Regelung abgeschafft. Auch sonst war das Klima für den Italiener anfangs nicht besonders herzlich: Daddato erinnert sich an ein Tanzlokal, an dessen Tür ein Schild hing: „Für Ausländer verboten“. Er arbeitete in verschiedenen Gärtnereien in Neu-Isenburg und heiratete eine schwäbische Krankenschwester, deren Vater ihn erst akzeptierte, als er den Trauschein vorlegte.

Sarantis Biscaz wurde 1943 in Griechenland geboren. Als sein Vater 1960 nach Deutschland zog, weil der eigene Bauernhof nicht mehr das Familienauskommen sicher stellte, stand für den Jungen fest: Ich gehe nach Deutschland, heirate dort und werde Zahnarzt. Er folgte dem Vater nach Herten bei Essen und paukte drei Monate jeden Tag Deutsch. Zahnarzt ist er nicht geworden, aber er leitet seit 22 Jahren ein eigenes Dentallabor in Neu-Isenburg. Außerdem ist Biscaz politisch aktiv als Vorsitzender des Ausländerbeirats in Neu-Isenburg und stellvertretender Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung. „Vor Ort“, so sein Credo, „kann man am meisten bewegen.“

Jean Claude Diallo stammt aus einer großen Familie im westafrikanischen Guinea. Seine Mutter war Gewerkschafterin, am Essenstisch wurde Karl Marx gelesen: „Ich habe früh gelernt, dass man sich nichts gefallen lassen muss.“ Diallo studierte Psychologie in Deutschland und der Schweiz, arbeitete in Marokko und war ein Jahr lang Minister und Regierungssprecher in Guinea, bevor er sich 1970 mit seiner Frau in Frankfurt niederließ. „Ich habe mich sofort in Frankfurt verliebt“, erzählte der 60-Jährige. „Nur mit dem Apfelwein klappt es bis heute nicht.“ Seit zwanzig Jahren treibt Diallo die interkulturelle Arbeit beim Evangelischen Regionalverband voran. Anfang diesen Jahres wurde er Integrationsdezernent der Stadt Frankfurt.

„In Italien bin ich mittlerweile Ausländer“, resümierte Daddato, „aber wenn ich samstags in Neu-Isenburg über den Markt gehe, kenne ich die meisten älteren Deutschen.“ Auch Serantis Biscaz erklärte: „Ich fühle mich voll integriert und bin trotzdem Grieche geblieben.“

p(autor). Stephanie von Selchow

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. November 2007 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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