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Aktuell

1. November 2007

Kirchen in Konkurrenz

p(einleitung). In Zeiten zurückgehender Mitgliederzahlen und nachlassender Milieubindung setzen die Konfessionen auf Abgrenzung, um das eigene Profil zu schärfen.

Als Ökumene wird gemeinhin das Miteinander der katholischen und evangelischen Kirche bezeichnet. Nach römischem Verständnis ist dieser Satz schon falsch, denn die katholische Kirche ist nach eigener Auffassung die einzig wahre Kirche. Die Orthodoxen werden als Schwesterkirchen verstanden, alle anderen, ob lutherisch, reformiert, anglikanisch oder baptistisch, sind – so der feine Unterschied – lediglich „kirchliche Gemeinschaften“.

!(rechts)2007/11/seite04_oben.jpg(Die drei großen christlichen Konfessionen eröffneten gemeinsam in der Katharinenkirche die Interkulturelle Woche v.l.n.r.: Augoustinos Lambardakis, griechisch-orthodoxer Metropolit von Deutschland, Bischof Christoph Kähler, stellvertretender Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, und Kardinal Karl Lehmann, Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. | Foto: epd-Bild / Thomas Rohnke)!

Solchen theologischen Spitzfindigkeiten zum Trotz geht auf der praktischen Ebene dennoch vieles gemeinsam: In Frankfurt zum Beispiel erscheint seit 1970 das „Ökumenische Kirchliche Jahrbuch“, in dem alle Anschriften kirchlicher Dienststellen gesammelt sind. Oder es gibt das ökumenische Reformationsgedenken: Ausgerechnet an dem Tag, der wie kein anderer für die Trennung der Kirchen steht, setzen Evangelische und Katholische sich gemeinsam mit einem aktuellen Thema auseinander. Diese Traditionen stammen jedoch aus einer Zeit des ökumenischen Aufbruchs. Ob so etwas heute noch einmal gestartet werden könnte, erscheint fraglich. Denn auch am Main weht zwischen den Konfessionen heute ein rauerer Wind. Der ökumenische Beratungsdienst an der Hauptwache wurde geschlossen – beiden Partnern war wohl der Einspareffekt wichtiger als die Symbolkraft einer gemeinsamen Einrichtung. Der katholische Kirchenladen an der Liebfrauenkirche hätte als ökumenischer Kirchenladen ein Gewinn für die Mitglieder beider Kirchen sein können. Doch das wurde vom katholischen Bischof strikt abgelehnt. Andererseits verkaufte der Kirchenladen auch Eintrittskarten zum evangelischen Kirchentag.

Bei der wichtigsten Frage, die beide Kirchen derzeit umtreibt, der Nutzung von Kirchen und Gemeindehäusern, gibt es ebenfalls kein Gespräch. Besonders absurd ist das im Neubaugebiet am Riedberg: Eine gemeinsame Kirche für beide Konfessionen und daneben je ein eigenes Gemeindezentrum hätte doch für Organisationen, die unter einer angespannten Finanzlage leiden, nahe gelegen.

Immerhin ist in vielen Stadtteilen der so genannte Kanzeltausch selbstverständlich. Dies bedeutet, dass die Geistlichen im Gottesdienst der jeweils anderen Konfession predigen. In der kirchlichen Praxis vor Ort werden dogmatische Unterschiede nämlich weit weniger beachtet als an der Spitze. Theologische Probleme hält man hier eher für „Probleme der Theologen“.

p(autor). Kurt-Helmuth Eimuth

h3. „Wir kommen in den Himmel!“

Im Privaten hat die evangelisch-katholische Zusammenarbeit schon immer weit besser funktioniert als auf kirchenoffizieller Ebene. Mit ironischem Augenzwinkern schilderte etwa der Frankfurter Dichter Friedrich Stoltze seine „Mischehe“ mit der Katholikin Mary Messenzehl. Als die beiden im Jahr 1849 in der Katharinenkirche heirateten, war Mary bereits zum dritten Mal schwanger. Stoltzes Gedicht „Mischehe“ erschien am 26. August 1882 in der „Frankfurter Latern“:

!(rechts)2007/11/seite04_rechts.jpg!

Wir armes altes Ehepaar!
Ach wehe! Wehe! Wehe!
Wir leben schon so manches Jahr
In einer wilden Ehe!

Den lutherischen Dickkopf, ach,
Anstatt ihn zu verfehmen,
Warst du, o Frau, dereinst so schwach,
Zu lieben und zu nehmen!

Und weil du Katholikin bist
Und ich hab’ dir gefallen,
So hat dich nun der Antichrist,
Der Teufel in den Krallen.

Ein Pfarrer hat uns zwar getraut,
Doch luth’risch-diabolisch,
Und Gott war nicht davon erbaut,
Denn Gott ist streng katholisch.

Und was mich ganz besonders beugt,
Denn es verdiente Hiebe:
Die Kinder all, die wir erzeugt,
Sind Kinder, ach, der Liebe!

Verschlossen ist die Kirche dir,
Zu meiner ist’s noch weiter;
Wenn Andre beten, müssen wir
Spazieren gehen leider.

Du darfst zu keiner Ohrenbeicht
Und mußt sie ewig missen; –
Du machst dir selbst die Seele leicht:
Du hast ein gut Gewissen!

Und stieß man dich auch grausam aus
Wie Sündenrost und Schimmel, –
Wir machen uns den Teufel draus
Und kommen in den Himmel.

h2. Können Kirchen sich ihre Trennung leisten?

h3. Christof Schiederig (45), Bankkaufmann

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Ich denke, dass sowohl an der katholischen als auch an der evangelischen Basis die meisten Gemeinden viel „ökumenischer“ sind, als von den Entscheidungsträgern der Kirchenführungen wahrgenommen wird. Vielleicht wollen sie es auch nicht wahrhaben, und es ist eigentlich nur eine Frage von Macht und Besitzanspruch. Ich bin Vorsitzender des Pfarrgemeinderates der katholischen Herz-Jesu-Gemeinde in Fechenheim und kann sagen, dass unter den Menschen, die sich mit dem christlichen Glauben identifizieren und ihr Leben danach ausrichten wollen, die Gemeinsamkeiten der beiden Konfessionen schon lange sehr intensiv und bewusst gelebt werden, etwa im Bezug auf soziale Verantwortung, Bewahrung der Schöpfung und das tägliche Miteinander. Eine wirtschaftliche Zusammenführung der beiden Kirchen ist nur eine Frage der Zeit.

h3. Burkhard Sulimma (63), Pfarrer in Schwanheim

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Es ist eine Realität, dass es viele hundert christliche Kirchen gibt, das können wir nicht einfach per Beschluss ändern. Sie haben ein gemeinsames Dach im Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf, unter das sich leider die römische Kirche nicht stellen mag. An der Basis sollten wir uns nicht von dem irritieren lassen, was gerade kirchenpolitisch diskutiert wird, sondern unter Achtung unserer Traditionen bezeugen, dass wir den gemeinsamen Auftrag haben, den Menschen das Evangelium nahe zu bringen. In der Öffentlichkeit sollte klar sein, dass Evangelische und Katholische miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. In Schwanheim tauschen wir manchmal die Kanzel: Am Reformationstag predigt der katholische Kollege bei uns, an Allerheiligen predige ich in der katholischen Kirche. Nur das gemeinsame Gebet wird uns die Einigkeit bringen.

h3. Martin Müller-Bialon (47), Redakteur der Frankfurter Rundschau

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An dieses Thema mit dem Synergie-Gedanken heranzugehen, halte ich nicht für die beste Idee. Für mich ist es keine Frage der Ökonomie, ob sich die Kirchen die Trennung leisten können – die Trennung zwischen evangelisch und katholisch muss einfach sein! Solange die dogmatischen Unvereinbarkeiten existieren, sollte an eine Verschmelzung kein Gedanke verschwendet werden. Einer Kirche, die einen als unfehlbar geltenden Papst braucht und sich für die allein selig machende Religion hält, möchte ich jedenfalls nicht angehören. Mit der Ökumene sollte man es deshalb nicht übertreiben. Möglich wäre da nur eine Vereinnahmung der evangelischen durch die katholische Kirche, und das kann niemand ernsthaft wollen. Möglich sind aber Kooperationen auf Gemeindeebene, die finde ich gut. Dabei sollte man es meiner Meinung nach belassen.

h3. Birte Hansen, (39), Leiterin der ökumenischen Kita in Heddernheim

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Träger dieser Kita sind sowohl die evangelische Thomas- als auch die katholische Peter- und Paulgemeinde. Im Mertonviertel gibt es aber zu wenig Kindergartenplätze: Deshalb kommen nicht nur evangelische und katholische Kinder zu uns, deren Eltern mehr oder weniger bewusst eine christliche Einrichtung wählen, sondern auch muslimische, buddhistische, atheistische, manchmal auch jüdische Kinder. Wir versuchen, die bereichernde Verschiedenartigkeit zu betonen und freuen uns daran. Natürlich gibt es manchmal Diskussionen, aber, wie eine muslimische Mutter einmal ganz gelassen sagte: Wir glauben doch alle an denselben Gott! Es ist auch ganz normal, dass muslimische Kinder kein Schweinefleisch essen und wir als christliche Einrichtung an Weihnachten die Geburt Jesu feiern. Die Kinder wachsen einfach mit der Ökumene auf.

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. November 2007 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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