Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

1. Dezember 2007

Der Alltag von Aurelia

p(einleitung). Bibelmuseum zeigt die „unglaublich weibliche Seite“ der Antike

Die „unglaublich weibliche Seite“ der Bibel will das Frankfurter Bibelhaus mit seinem neuesten Projekt „MainBlick auf Frauen an Nil und Jordan“ sichtbar machen. Männer freilich müssen nicht draußen bleiben. Der Religionswissenschaftler Sven Lichtenecker, der die erste öffentliche Führung durch die Sonderausstellung leitete, erläutert: „Das Thema ist kein Frauenthema in dem Sinn, dass es nur einen bestimmten Personenkreis anginge.“ Der antike Alltag ganz allgemein werde vor Augen gestellt.

!(rechts)2007/12/seite12_unten.jpg(Amulette und Schmuckanhänger aus biblischen Zeiten: Das Bibelhaus zeigt Exponate aus Palästina und Ägypten, die das Alltagsleben von Menschen in der Antike näher bringen. | Foto: Ilona Surrey)!

Sieben Frauen aus der Bibel stehen im Mittelpunkt. Jeder wird ein Bereich des antiken Lebens zugeordnet: Miriam etwa steht für Tanz, weil sie nach dem Zug des israelischen Volkes durchs Schilfmeer auf die Pauke haute und tanzte. Die alttestamentliche Richterin Debora verkörpert das Recht. Über Maria, die Schwester Martas, wird auf das Gebiet des Alltags verwiesen: Sie ließ die Hausarbeit ruhen und setzte sich lauschend zu Jesu Füßen.

Die „sieben Frauen, die trotz aller gesellschaftlichen Restriktionen ihren eigenen Weg gefunden haben“, urteilt der Begleittext zur Ausstellung, seien „Ausnahmeerscheinungen.“ Womöglich waren sie das nicht nur damals – nimmt man etwa als Maßstab den vormittäglichen Besuch eines Supermarkts: Kaum ein Mann unter 65 Jahren ist dort anzutreffen. In einem Kindercafé in der Nähe des Bibelhauses tummelt sich zwischen dreißig Müttern zuweilen ein Vater. „Die Griechen waren kleine Machos, die Stellung der Frau in Ägypten war da schon besser“, lenkt Sven Lichtenecker die Gedanken des Besuchers in die antike Welt der Ausstellung zurück. Rasch wird deren Pointe klar: Es geht nicht um die Geschichten der biblischen Frauen allein, sondern mit ihnen korrespondieren Papyri, Pergamente und Tonscherben im Original, die damaliges Leben konkreter werden lassen. Eine antike Helene, 38 Jahre, erklärt etwa ihren Hausstand. Aurelia unterzeichnet einen Pachtvertrag. In einem Los-Orakel bildet sich die Hoffnung ab, dass die göttliche Macht den richtigen Ehepartner entdecken möge.

Sehr anschaulich sind auch die Schmuckstücke und Utensilien zur Schönheitspflege, darunter ein Flakon, der vor 4000 Jahren zur Aufbewahrung duftender Öle diente. „Kosmetik war oft eine Sache beider Geschlechter“, sagt Sven Lichtenecker. Dunkel geschminkte Augen dienten in Ägypten als Sonnenschutz, die kosmetische Pflege hatte häufig einen pharmazeutischen Hintergrund. Sich zu schmücken wiederum verfügte über eine religiöse Dimension. Das zeigen Amulette, mit denen sich Frauen Fruchtbarkeit oder Schutz bei Geburten erhofften. Da sind etwa so genannte „Pataeken“, nackte Gestalten, die ein riesiges, fast die gesamte Figur ausmachendes erigiertes Glied vor sich her tragen. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusehen, dass diese Exponate lautstarke Reaktionen bei Führungen mit Jugendgruppen auslösen werden. Frauen trugen solche Männergestalten mit winzigem Kopf einst als Anhänger. Wie das auf männliche Betrachter gewirkt haben mag? Die antike Frau hoffte wohl nicht nur auf Potenz, sondern verfügte über ein noch viel größeres Maß an Ironie.

Die Ausstellung ist bis zum 31. Mai im Bibelhaus in der Metzlerstraße 19 am Museumsufer zu sehen. Dazu gibt es ein Begleitprogramm mit Führungen und Vorträgen. Informationen unter Telefon 66426525 oder „www.bibelhaus.com“:http://www.bibelhaus.com.

p(autor). Georg Magirius

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Dezember 2007 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+