Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

1. September 2008

Globalisierung der Religionen

p(einleitung). Buddha-Statuen bewachen deutsche Blumenbeete, orthodoxe Kruzifixe baumeln an Halsketten, Chanukka-Leuchter aus Israel dienen als profaner Kerzenständer: In Zeiten der Globalisierung werden religiöse Symbole aus aller Welt zu bloßer Dekoration.

Vier große, goldene Buddha-Statuen sorgten für Schlagzeilen, nachdem sie von Jürgen Klinsmann auf dem umgestalteten Trainingsgelände des FC Bayern München aufgestellt worden waren. Allen Kritikern voran befürchtete CSU-Politiker Norbert Geis, Klinsmann versuche den Spielern seine persönlichen religiösen Gefühle aufzuerlegen. Die Bayern-Führung ruderte zurück und deklarierte die Figuren zu „reiner Dekoration“. Das mag zwar manches Gemüt zunächst beruhigen, ein Buddhist jedoch würde an dieser Stelle vermutlich vehement widersprechen.

!(rechts)2008/09/seite04_oben.jpg(Buddha-Statuen im Schaufenster: Religiöse Symbole aus allen Weltreligionen sorgen auch bei ganz unreligiösen Konsumentinnen und Konsumenten für Umsatz. | Foto: Rolf Oeser)!

Religiöse Symbole und Gegenstände zu Dekorationszwecken umzufunktionieren, erfreut sich zunehmender Popularität. Als Einrichtungsgegenstände oder Urlaubsmitbringsel finden sie Einzug in Wohnraum und Garten: eine kleine Buddha-Figur, ein Chanukka-Leuchter, Ikonentäfelchen oder „das Auge Allahs“. Aber auch Kreuze sind nach wie vor begehrt als Körper- und Raumschmuck. Was für den einen eine Demonstration der Weltoffenheit sein soll, ist für die andere vielleicht ein Glücksbringer oder das authentische Sahnehäubchen im Raumdesign. Manch einer fand auf Reisen auch Gefallen an bestimmten Überzeugungen der anderen Religionen, ein kleines Symbol soll dann im Alltag daran erinnern.

Jedoch bedeutet diese Sitte, dass die ursprüngliche Bedeutung der religiösen Symbole und Handlungen in Vergessenheit gerät und damit unweigerlich auch die Wertschätzung verloren geht, die ihnen in einem religiösen Kontext entgegengebracht wird. Schlimm ist vor allem, wenn ein Symbol gar im Zusammenhang mit grausamen Taten missbraucht wird, so wie es zum Beispiel die Nationalsozialisten mit dem 6000 Jahre alten und ursprünglich friedlichen Symbol des Hakenkreuzes („Sonnenrad“) getan haben.

Das Zweckentfremden eines religiösen Symbols zieht also in gewisser Weise immer auch eine Entwertung desselben nach sich. Gläubige können sich allerdings auch fragen, ob es sie in ihrem persönlichen Glauben beeinflusst oder stört, wenn ein für sie wichtiges Symbol für einen anderen weniger Bedeutung hat, solange dieser damit keinen Missbrauch treibt. Letztlich sind auch die Religionen vor Globalisierung nicht gefeit, sie ziehen daraus aber auch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Die Symbolik verbreitet sich auf der ganzen Welt und trägt so die Kunde der Religionen in alle Welt. Insofern ist der Siegeszug der „Religionsdeko“ auch eine Art Werbung.

p(autor). Sara Wagner

h2. Religiöse Symbole als Dekoration?

h3. Carla Diehl (42), Journalistin

!(rechts)2008/09/seite04_unten1.jpg!

Ja, ich finde, das darf ruhig sein. Mit einer Buddha-Statue im Garten oder einem Kruzifix an der Halskette, wie es in den achtziger Jahren „in“ war, habe ich keine Probleme. Ich erlaube mir kein Urteil darüber, wer sich wann welche Symbole anzieht oder aufstellt und aus welchem Grund, solange damit nicht die Gefühle oder der Glaube anderer absichtlich verletzt werden sollen. Wie viel Bedeutung das Kreuz oder eine indische Gottheit für die Betreffenden hat, können nur sie selbst wissen. Zumindest geraten auf diesem Weg religiöse Symbole nicht in Vergessenheit, wenn auch vielleicht manchmal ihre Bedeutung. Wenn dahinter tatsächlich mehr steckt als nur Dekoration oder Schmuck, also eine Auseinandersetzung bis hin zum tiefen Glauben, so ist das sicher ideal. Aber halbherzig glauben ist immer noch besser als gar nicht glauben.

h3. Lutz Lemhöfer (60), katholischer Theologe

!(rechts)2008/09/seite04_unten2.jpg!

Spiritueller Kitsch ist multireligiös geworden. Fußballtrainer Jürgen Klinsmann macht’s deutlich mit den von ihm georderten Buddha-Statuen im Trainingsgelände von Bayern München. Angeblich will er damit ein Energiefeld aufbauen, das den Kickern den letzten Kick geben soll. Tatsächlich verhunzt er damit den Erleuchteten (so wird Buddha von den Buddhisten verstanden) zum Talisman fürs Toreschießen. Religiöse Symbole sind eine sensible Materie. Sie drücken ein Bekenntnis aus, eine Erinnerung an eine größere Macht jenseits dessen, was Menschen manipulieren können. Hätte Klinsmann statt der Buddhas einige Kreuze dekorativ verteilt, wäre das meiner Ansicht nach genau so daneben gewesen. Wir sollten Gott und das, was auf ihn hinweist, nicht „verhaustieren“ (Fulbert Steffensky). Das gilt für den eigenen Gott wie für fremde Götter.

h3. Renate Ott-Thiel (61), Inhaberin des Gewürzhauses Schnorr

!(rechts)2008/09/seite04_unten3.jpg!

Ja, warum denn nicht? Wenn jemand das schön findet, kann er sich doch ein Jesuskreuz aufhängen oder eine Buddha-Statue nett hinstellen, wo er oder sie will. Die großen Buddha-Statuen, die wir verkaufen, bekommen sogar meistens einen Ehrenplatz in der Wohnung oder im Garten. Manche stellen sie auch als Schutzsymbol in den Eingangsbereich. Wer Geld dafür ausgibt, hat zumindest Respekt vor dem religiösen Gehalt, auch wenn er nicht gleich Buddhist oder Hindu ist. Diesen Respekt finde ich wichtig. Solange kein Missbrauch mit solchen Symbolen betrieben wird, ist das doch völlig in Ordnung. Hin und wieder kommen schon Leute ins Geschäft, die sich darüber aufregen, dass wir hier Buddhas verkaufen. Aber erstens war ich selbst oft in Indien, China und Japan und achte die Religionen dieser Länder, und zweitens leben wir doch in einem freien Land.

h3. Peter Althofen (54), Maschinenschlosser

!(rechts)2008/09/seite04_unten4.jpg!

Mich stört es nicht, wenn Menschen sich im Discounter eine Buddha-Figur kaufen oder ein Kreuz nur als Schmuck tragen. Das muss jeder für sich entscheiden. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und katholisch erzogen worden, war Messdiener und habe früher auch an Prozessionen teilgenommen. Da haben Symbole eine große Rolle gespielt. Ich erinnere mich an Marienfiguren oder Heiligenbilder, die ich geschenkt bekam. Ob ich mich heute als Buddhist bezeichnen würde, weiß ich nicht. Ich versuche, meinen Weg als Mensch zu gehen. Symbole sind ja Hilfestellung zur Verinnerlichung des Göttlichen. Wenn jemand eine BuddhaFigur oder ein Grablicht nur zur Deko kauft, kann das ein Anstoß sein, ein Samenkorn, das dazu bewegt, nachzudenken über die Tiefe und den Wert des Lebens. Das kann mir helfen, mehr Demut und Mitgefühl zu erlangen.

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. September 2008 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+