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Aktuell

1. September 2008

Heiraten ohne Standesamt

p(einleitung). Ab 2009 sind kirchliche Trauungen auch ohne Staat erlaubt

Beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit ist eine grundlegende Gesetzesänderung über die Bühne gegangen: Ab dem 1. Januar 2009 darf sich ein Paar auch dann kirchlich trauen lassen, wenn es zuvor nicht standesamtlich geheiratet hat. Kirchliche Trauung und staatliche Hochzeit stehen damit zum ersten Mal in der deutschen Geschichte völlig unabhängig nebeneinander.

Erst im Jahr 1875 war im deutschen Reich – gegen den heftigen Protest der Kirchen – von Bismarck die Zivilehe durchgesetzt worden. Das bedeutete, dass eine Ehe unabhängig vom weltanschaulichen Bekenntnis geschlossen werden konnte. Die Kirchen, deren Trauungen damit ihre juristische Wirkung verloren, sprachen von einer „Entweihung“.

Inzwischen pocht die Kirche selbst auf die Errungenschaften des bürgerlichen Gesetzbuches: So ist auch im evangelischen Kirchenrecht verbindlich festgeschrieben, dass eine kirchliche Trauung nur dann durchgeführt wird, wenn das Paar zuvor standesamtlich geheiratet hat.

Die Evangelische Kirche in Deutschland hat bereits klargestellt, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. Die stellvertretende hessen-nassauische Kirchenpräsidentin Cordelia Kopsch betonte, dass die standesamtlich geschlossene Ehe beiden Partnern Rechtssicherheit biete und den Schwächeren schütze.

Eine „Nur-Kirchen-Ehe“ würde nämlich vor dem Gesetz als nicht-eheliche Gemeinschaft beziehungsweise als Bedarfsgemeinschaft, wie es im Sozialgesetzbuch heißt, gelten. Das bedeutet: Kein Unterhalt, kein Erbrecht, kein Steuerfreibetrag, keine Schutzvorschriften für die Schwächeren beim Scheitern der Beziehung, kein Zugewinnausgleich und auch kein Zeugnisverweigerungsrecht. Interessant könnte die neue Regelung allerdings für Rentnerinnen und Rentner sein: Witwenrenten gingen nämlich nicht „verloren“, wenn ein Paar nur vor den kirchlichen Traualtar träte.

Ob kleine, unabhängige kirchliche Gemeinschaften oder religiöse Sekten in Zukunft Trauzeremonien ohne vorherige standesamtliche Eheschließung vollziehen, ist offen. In diesem Fall bestünde die Gefahr, dass falsche Eheversprechen gegeben werden und Menschen sich für verheiratet halten, obwohl sie es juristisch nicht sind. In Österreich, wo die Nur-Kirchen-Ehe schon länger möglich ist, wird sie zum Beispiel katholischerseits nur mit Erlaubnis des Bischofs geschlossen. Die Eheleute werden nicht nur über den Segen Gottes belehrt, der ihnen bei der kirchlichen Trauung zugesprochen wird, sondern auch über die rechtlichen Auswirkungen der Zivilehe, die ihnen bei einer „Nur-Kirchen-Ehe“ entgeht.

p(autor). Stephanie von Selchow

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. September 2008 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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