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Aktuell

1. Dezember 2008

Geben ist seliger als Nehmen

Die Summen, mit denen sich Vorstände und Manager großer Firmen ihre Leistung und ihr Risiko vergüten lassen, klingen für Normal-Verdienende fantastisch. Das böse Wort von der Habgier der Bosse macht die Runde. Ohne ein gewisses Maß an Habgier würde sich freilich das Finanzkarussell kaum drehen: Kunden wollen Waren besitzen, auch wenn sie diese nicht wirklich brauchen. Umgekehrt wollen Hersteller und Händler möglichst hohe Gewinne machen.

Auch Kleinanleger schließlich erwarten hohe Renditen ihrer Einlagen, ohne viel zu fragen, wie diese erzielt werden. Habgier ist also kein Privileg der Reichen und Schönen, sie ist längst mitten in der Gesellschaft angekommen und befeuert den Kapitalismus.

Jesus prägt das plastische Bild vom Reichen, dem es nur sehr schwer gelingt, ins Reich Gottes zu gelangen: Eher quetscht sich ein Kamel durch ein Nadelöhr. Das ist keine Generalverurteilung der Reichen, sondern entspricht der Beobachtung, dass die Beziehung zum Besitz leicht den Charakter einer Religion annimmt und mit Glück, Sicherheit, gutem Leben, Hoffnung und Heil verwechselt wird. Habgier führt also in eine Art Selbstbetrug: Der Besitz, den man hat, genügt nicht, um Lebensanker zu sein. Daher vermehrt man ihn in der Hoffnung, dass die Quantität des Habens eines Tages in Qualität des Lebens umschlägt. Allerdings stellt sich dieser Punkt nicht ein. Das Haben-Wollen wird schließlich unersättlich und zieht in einen Strudel hinein, der auch den sozialen Frieden mit sich reißt, weil Habgier mit Geiz verbunden ist.

„Hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat”, sagt dagegen Jesus (Lukas 12,15) und illustriert diesen Satz mit dem Beispiel vom reichen Kornbauer, der fälschlicherweise denkt, er habe durch die Fülle seines Besitzes auch Leben in Fülle. Sein Tod macht klar: Es kommt nicht auf materielle Dinge an, sondern auf den Reichtum, den man bei Gott hat – sprich: auf die Wohltaten an den Mitmenschen und die in Jesu Nachfolge gelebte Nächstenliebe.

Christliches Denken beruht auf dem Prinzip, dass es dem Einzelnen wie der Gemeinschaft nützt, wenn letztlich von Gott gegebene materielle Güter nicht ausschließlich für den persönlichen Gewinn genutzt, sondern auch zum gemeinsamen Wohl eingesetzt werden. Der Einzelne „hat, als hätte er nicht” (Paulus). Ziel ist es, mit den Ressourcen sozusagen ein Netz zu knüpfen, in dem einer den anderen aktiv stützt und fördert. Die von Gott her erfahrene Liebe ist die Motivation zu dieser Haltung, die das persönliche Wohl mit dem der Gemeinschaft verbindet und insofern Armut und Ausbeutung mindert, jedoch faire Bedingungen und Gerechtigkeit stärkt.

Der urchristliche „Kommunismus”, von dem Lukas schreibt (Apostelgeschichte 2,44ff) – „Alle hatten alle Dinge gemeinsam” – war wohl weniger ein bloßes Durchfüttern der Armen seitens der Reichen als vielmehr ein Wirtschaften, das wir heute am ehesten als genossenschaftlich bezeichnen würden.

p(autor). Wilfried Steller

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Dezember 2008 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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