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Aktuell

1. Februar 2009

Soziale Arbeit für Zukunft sichern

p(einleitung). Evangelische Diakoniestiftung ins Goldene Buch eingetragen

„In einer Zeit, da selbst Banken als Bettler auftreten, wagt es der Evangelische Regionalverband, Geld auf Dauer für bestimmte wohltätige Zwecke festzulegen“, freute sich Stadtrat Christof Warnke aus Anlass der Eintragung einer neuen Frankfurter Diakoniestiftung ins Goldene Buch der Stiftungen im Frankfurter Römer. Die Stiftung soll dazu beitragen, die soziale Arbeit der evangelischen Kirche in Frankfurt langfristig zu sichern und vom Kirchensteueraufkommen unabhängiger zu machen.

!(kasten)2009/02/seite06_oben.jpg(Stadtrat Christof Warnke – sitzend – freut sich über eine weitere Stiftung in Frankfurt: Pfarrerin Esther Gebhardt, Karsten von Köller und Pfarrer Michael Frase vom Stiftungsvorstand der neuen Diakoniestiftung sowie Pfarrer Burkhard Sulimma von deren Verwaltungsrat – stehend von links nach rechts – bei der Eintragung ins Goldene Buch der Stiftungen im Römer. | Foto: Rolf Oeser)!

Der Regionalverband überträgt ihr dafür ein Barvermögen in Höhe von 1,5 Millionen Euro und hofft auf weitere Zustiftungen engagierter Bürgerinnen und Bürger. „Die Stiftung soll dazu beitragen, Schwerpunkte in der Arbeit der Kinder-, Jugend- und Familienbetreuung zu setzen sowie Hilfeleistungen für Menschen in Lebenskrisen, für Menschen mit Behinderungen, für Menschen, die auf medizinische Hilfe und Pflege angewiesen sind, zu erbringen“, erläuterte Pfarrer Michael Frase, Leiter des Diakonischen Werks für Frankfurt. „Des Weiteren will sie die Möglichkeit eines selbst bestimmten Lebens im Alter sowie in der letzten Lebensphase schaffen.“

Aus Erbschaften der evangelischen Blindenarbeit, die eine Zweckbindung haben, werden Hilfen für blinde und sehbehinderte Menschen finanziert. Frase kündigte an, dass auch eine Unterstiftung zur Förderung der Hospizarbeit in der evangelischen Kirche eingerichtet werden soll.

Nach Überzeugung von Stadtrat Warnke zeigt der Evangelische Regionalverband mit seiner Initiative ein Vertrauen, nach dem heute allenthalben Ausschau gehalten werde. Er wies darauf hin, dass Frankfurt die „Stiftungshauptstadt“ Deutschlands sei. Immerhin verwalten am Main 470 Stiftungen den Betrag von sechs Milliarden Euro, was mehr als das Doppelte des Frankfurter Jahresetats ist.

Für Frase ist die Diakoniestiftung eine moderne Organisationsform für diakonisches Handeln: „Man kann sagen, dass sie die moderne zeitgemäße Interpretation der Ausrichtung des Handelns auf die Not des Nächsten ist, wie sie uns im Neuen Testament grundlegend erklärt und als Aufgabe aufgegeben wird.“

p(autor). Kurt-Helmuth Eimuth

h3. Wie soziale Arbeit organisiert ist

Soziale Arbeit will organisiert sein. Da sie für das Gemeinwohl besondere Bedeutung hat, hat der Gesetzgeber verschiedene Organisationsformen vorgesehen und sie von der Zahlung von Steuern weitgehend befreit.

Beim Eingetragenen Verein (e.V.) beantragen mindestens sieben Personen mit einer Satzung die Eintragung in das Vereinsregister. Die Gemeinnützigkeit und damit das Privileg, steuerabzugsfähige Spenden anzunehmen, bescheinigt das Finanzamt. Ein Verein darf kein Geld anhäufen, denn sein Zweck ist es, das gesammelte Geld gezielt dem Vereinszweck zuzuführen.

Die gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) ist dagegen eine Organisationsform, die kontinuierliches professionelles Handeln ermöglicht. Allerdings darf auch sie keine Gewinnabsicht verfolgen. Auch in diesem Fall bescheinigt das Finanzamt die Ge­meinnützigkeit.

Eine Stiftung wiederum ist auf Dauer angelegt. Das Kapital darf nicht ausgegeben werden, sondern bildet einen Grundstock, um aus Zinsen und anderen Kapitalerträgen den Stiftungszweck erfüllen zu können. Über die Verwendung der Gelder wacht die staatliche Stiftungsaufsicht.

p(autor). Kurt-Helmuth Eimuth

h3. Stiftungen helfen schon seit 1531

Die erste Frankfurter Stiftung, der heute noch existierende „Almosenkasten“, wurde bereits 1531 gegründet. Wie vielen mittelalterlichen Stiftungen lag ihm der Gedanke des Almosens zugrunde. Der Name deutet auch auf die Form des Spendens hin: Vermutlich stand tatsächlich eine Truhe in einer Kirche, in die man seine Gabe hineinwarf.

Nach der Trennung von Staat und Kirche blieb dieser „allgemeine Almosenkasten“ bei der Stadt. Noch heute werden aus diesem Vermögen Mittel für soziale Zwecke aufgewandt. Die evangelisch-lutherische Kirche gründete dann 1828 ihren eigenen, den Evangelischen Almosenkasten. Im Beschluss des Gemeindevorstands heißt es: „Dieser neu errichtete Almosenkasten bildet eine Sektion des Evangelisch-Lutherischen Gemeindevorstands und hat die von letzterem im Betreff der Einrichtung und Verbesserung des lutherischen Armenwesens gefassten Beschlüsse zum Vollzug zu bringen.“ Man wollte also die Unterstützung bedürftiger Personen für die evangelisch-lutherischen Gemeindemitglieder weiterführen. Die Katholiken und die Reformierten gründeten in der Stadt ähnliche Stiftungen.

Dieser evangelische „Almosenkasten“ existiert ebenfalls noch heute als eine Stiftung und wendet Mittel auf, um bedürftigen Menschen, die die Gemeinden benennen, eine einmalige oder regelmäßige Unterstützung zukommen zu lassen. Das Kapital beträgt etwa 500000 Euro, sodass etwa fünfzig Personen durch die ausgeschütteten Zinsen Unterstützung erfahren können. Der Gemeindebezug ist für Michael Frase, den Leiter des Diakonischen Werks für Frankfurt, besonders wichtig, da der Pfarrer oder die Pfarrerin die tatsächliche Notlage bestätigen können.

Im Lauf der Jahrhunderte haben sich die Motive für die christliche Unterstützung der Bedürftigen verändert, betont Frase: „Mitleid und Barmherzigkeit gab es selbstverständlich zu allen Zeiten, aber viele Stiftungen sind aus dem Verständnis einer Werkgerechtigkeit entstanden – man wollte sich mit guten Werken den Himmel verdienen.“ Es sei eine Errungenschaft von Humanismus und Reformation, diesen Verdienstgedanken überwunden zu haben. „Soziales Handeln wurde auf die Ursprünge gelebter Nächstenliebe und auf die sozialen Normen und Werte einer humanistischen Idealen verpflichteten Gesellschaft hingeführt.“

p(autor). Kurt-Helmuth Eimuth

h2. „Vor dreißig Jahren hätte ich den Deal nicht gemacht“

Zum Gegenbesuch im Zwölften Stock des „Gerippten“, wie das Bürohochhaus Westtower in Frankfurt genannt wird, hatte Pfarrer Johannes Herrmann einen Blumenstrauß für die Sekretärin dabei. Eingeladen war er mit einer kleinen Delegation aus der Hoffnungsgemeinde von einer Firma, deren Geschäftsfeld sich in diesen Zeiten nicht sehr sympathisch anhört: „Global Private Equity“ steht auf dem Logo von Advent International.

!(kasten)2009/02/seite06_unten.jpg(Informierten sich, woher die Spende für die „Kaffeestube Gutleut“ kommt: Pfarrer Johannes Herrmann, Horst Lenz und Horst Michaelis – von links nach rechts – vom Kirchenvorstand der Hoffnungsgemeinde im Gespräch mit Ralf Huep, dem Geschäftsführer von Advent International, im Westtower. | Foto: Antje Schrupp)!

Seit fast 25 Jahren verdient die Firma Geld damit, dass sie andere Firmen aufkauft und „weiterentwickelt“, wie Geschäftsführer Ralf Huep sagt, um sie ein paar Jahre später mit Gewinn zu verkaufen. „Und weil wir in den letzten Jahren gut verdient haben, wollten wir eine größere Summe für soziale Zwecke spenden.“ Doch Spenden Wollen und tatsächlich Spenden sind oft zweierlei Dinge, und so brauchte es den Anstoß eines Fernsehfilms über die sozialen Unterschiede zwischen „altem“ und „neuem“ Gutleutviertel, bis Huep Nägel mit Köpfen machte: 50000 Euro für die Kaffeestube, eine Initiative der Hoffnungsgemeinde, in der wohnsitzlose und arme Menschen ein billiges, aber gutes warmes Mittagessen bekommen.

Als „Wunder vom Westhafen“ machte die symbolträchtige Zuwendung in rührseligen Vorweihnachtsgeschichten ihre Runde durch die Frankfurter Medien – und in der Tat war der Zufall ein glücklicher, denn der Kaffeestube, die immerhin zwei reguläre Arbeitsplätze aus Spenden finanziert, waren zuvor zwei größere Sponsoren abhanden gekommen.

Grund zur Freude also. Indes: „Vor dreißig Jahren hätte ich den Deal nicht gemacht“, gibt Pfarrer Herrmann zu. Damals nämlich war das „Kapital“ für viele noch der klare Gegner. Heute aber ist es zunehmend normal, dass soziale Arbeit aus privaten Spenden finanziert wird – woraus auch sonst, wenn Kirchensteuern und öffentliche Zuschüsse zurückgehen. Firmen hingegen brauchen ein positives Image in der Öffentlichkeit, und soziale Großzügigkeit trägt gewiss dazu bei.

Immerhin lernt man sich so gegenseitig kennen. Geschäftsführer Huep erklärte den interessiert nachfragenden Hoffnungsgemeindlern, wie „Private Equity“ funktioniert und warum daran nichts grundsätzlich Schlimmes ist. Die wiederum berichteten von ihren sozialen Projekten und Vorhaben im Viertel. Ob daraus eine langfristige Kooperation wird, oder ob das „Westhafen-Wunder“ eine kuriose Eintagsfliege bleibt, wird sich zeigen. Einstweilen bekommen aber viele, die darauf angewiesen sind, weiterhin ein billiges Mittagessen.

p(autor). Antje Schrupp

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Februar 2009 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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