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Aktuell

29. November 2009

Streit über Glauben

p(einleitung). Neues Funkkolleg Religion und Gesellschaft

Über die Frage, ob der Glaube an Gott in der heutigen Welt noch wichtig sei, waren sich die beiden eingeladenen Philosophen im Haus am Dom uneinig. Anlass für die Diskussion war eine aktuelle Reihe „Wozu Gott?“ im Funkkolleg „Religion und Gesellschaft“ des hr2-Radioprogramms.

Jede Gesellschaft brauche eine ethische Ausrichtung und könne deshalb ohne Religion nicht existieren, sagte der sich selbst als „religiös unmusikalisch“ einstufende Berliner Philosoph und Medienwissenschaftler Norbert Bolz. Mit wissenschaftlicher Vernunft lasse sich der Sinn des Lebens nicht befriedigend erklären.

In den westlichen Gesellschaften sei jedoch die „echte Religion“ durch „Versatzstücke“ verdrängt worden. Bestimmte Formen von Umweltbewusstsein etwa hält Bolz für „Neuheidentum in reinster Form“, das die Natur zum Götzen erhebe. Besser sei es, sich einer Religion zuzuwenden, die auf abendländischen Traditionen basiert. Dabei bezog er sich nicht nur auf Juden- und Christentum, sondern auch auf die griechische Antike sowie arabische Denker.

Für den Hamburger Philosophen Herbert Schnädelbach hingegen besitzt heute die Religion keinerlei Bedeutung mehr. „Nächs­tenliebe heißt heute Solidarität“, und das setze kein Glaubensbekenntnis voraus, so Schnädelbach, der sich selbst als „frommen Atheisten“ bezeichnete. Auch in den politischen Verlautbarungen der evangelischen Kirche könne er „nichts speziell Christliches mehr entdecken“.

Der Religionskritiker erinnerte zudem daran, „mit wie viel gutem Gewissen Christen andere Menschen umgebracht“ hätten und dass „unter den Bankern der Wallstreet“ auch viele bekennende Gläubige zu finden seien. An einer rein theoretischen „Philosophentheologie“, wie Bolz sie vertrete, missfällt ihm neben „schwammigen“ Begrifflichkeiten vor allem die Deklassierung der Umwelt zum Götzen. Sich um das Wohlergehen der Natur zu kümmern, sei schlicht ein Gebot der Vernunft.

Auch die Kirchen könnten den modernen Menschen, die sich ihre Religion „selbst zusammenbasteln“, heute nicht mehr viel bieten, vermutete Schnädelbach. Norbert Bolz hingegen sieht das Problem der Kirchen eher in einem „Streben nach krankhafter Aktualität“. Seiner Ansicht nach sollten sie „wieder von dem erzählen, was unsere Kultur durchtränkt“. Der Kern der Sinnkrise, so Bolz, liege darin, dass „wir nicht mehr wissen, wo unsere Wurzeln sind“.

Das Funkkolleg „Religion und Gesellschaft“ in hr2-Kultur ist noch bis zum 15. Mai jeweils samstags um 9.25 Uhr, zu hören. Wiederholt werden die Sendungen immer sonntags um 8.35 Uhr. Mehr Informationen: www.funkkolleg.de.

p(autor). Doris Stickler

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 29. November 2009 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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