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Aktuell

29. November 2009

Was bringt das neue Jahr?

p(einleitung). Wirtschaftskrise, Klimawandel, sozialer Umbruch: Die Aussichten für die Zukunft scheinen ungewiss. „Evangelisches Frankfurt“ befragte Menschen aus Frankfurt, was sie für das kommende Jahr erwarten und erhoffen.

h3. Petra Roth (65), Oberbürgermeisterin

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Ich blicke dem Jahr 2010 positiv entgegen – trotz oder gerade wegen der großen Herausforderungen, die es mit sich bringt. Als Oberbürgermeisterin wünsche ich mir natürlich in erster Linie, dass es der Stadt gut geht und ich das Beste für Frankfurt tun kann. Ich setze auf die Klugheit oder Kommunalfreundlichkeit der neuen Bundesregierung in Berlin. Mit ihren Entscheidungen im nächsten Jahr bestimmt sie wesentlich die Zukunft der Kommunen. Wir brauchen unseren finanziellen Handlungsspielraum, weil sonst viele wichtige Vorhaben auf der Strecke bleiben könnten. Durch die immensen Steuerausfälle befindet sich auch Frankfurt in einer schwierigen Situation. Deshalb wünsche ich mir natürlich auch, dass die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt. Aber dessen ungeachtet: Ich bin sehr stolz auf Frankfurt und seine Bürger – und ich hoffe, dass sich die Stadt in weiten Teilen 2010 weiterhin so positiv entwickelt. Was ich mir privat wünsche, möchte ich nicht schreiben – manches sollte eben auch privat bleiben.

h3. Elisa Klapheck, (46), Rabbinerin

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Ich bin seit Anfang des Jahres arbeitslos und erhoffe mir vom nächsten Jahr natürlich vor allem erstmal einen neuen Job, damit das Existenzielle wieder abgesichert ist. Dann kann ich mich auch erst wieder mit anderen Fragen des Lebens wie Partnerschaft, Kinderwunsch und so weiter wirklich beschäftigen. Denn im Moment ist das Schlimmste die Ungewissheit. Dann schnappe ich auf, die FDP will Bürgergeld statt Arbeitslosengeld II einführen, und das ist dann noch weniger als bisher. Das macht schon Angst vor der Zukunft. Jetzt mache ich erst mal einen Schritt nach dem anderen und bewerbe mich weiter. Eines ist mir jedenfalls klar geworden durch die letzten Monate: Ich kann mich nicht auf den Staat oder die Politik verlassen. Ich sehe mich da auch in der Selbstverantwortung. Der Vorteil: Ich kann auch nicht von Staat und Politik enttäuscht sein.

h3. Jürgen Moser (53), Pfarrer und Dekan

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Als Dekan und Vorstandsmitglied des Evangelischen Regionalverbandes erwarte ich, dass wir es in 2010 in einem zweiten Anlauf schaffen, in Frankfurt als evangelische Kirche eine integrierte Struktur von Dekanaten und Verband (ein Stadtdekanat) auf den Weg zu bringen. Für die Gemeinden wünsche ich mir, dass sie gute Lösungen finden bei der Entwicklung von Gebäudekonzepten, um stabil und zukunftsfähig zu bleiben. Aber auch ganz persönliche Erwartungen habe ich: Ich möchte noch weiter kommen bei der Bewältigung der Folgen meines Schlaganfalls, den ich im Mai 2008 erlitten habe, und der mich bisher an einen Rollstuhl fesselte. Und schließlich: In 2009 haben sich meine familiären Verhältnisse durch Trennung und Scheidung verändert; daher wünsche ich mir, dass ich zu meinen großen Kindern aus erster Ehe eine gute Beziehung aufrecht erhalten kann. In meinen Erwartungen und Wünschen fühle ich mich ermutigt durch die Jahreslosung 2010 aus dem Johannesevangelium: „Jesus Christus spricht: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich.“

h3. Norbert Walter (65), Chefökonom der Deutschen Bank

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Nach mehr als vierzig Berufsjahren ist 2010 mein erstes Jahr im Ruhestand. Ich hoffe auf ein weniger fremdbestimmtes Leben. Das wünsche ich auch meinen Mitmenschen. 2010 ist das Jahr nach der schlimmsten weltwirtschaftlichen Rezession in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach einem dramatischen Rückgang des Sozialprodukts von fünf Prozent in Deutschland und einem Einbruch von mehr als einem Fünftel bei der Industrieproduktion geht es 2010 mit viel staatlicher Stütze (expansive Geldpolitik und defizitäre Fiskalpolitik) wieder leicht aufwärts. Das Unglück für viele wird sein, dass viele Unternehmen – auch kirchliche – ihre Beschäftigten nicht halten können. Löhne können unter solchen Umständen nicht steigen. Das wird die Konsummöglichkeiten beschränken. Ein schwacher Dollar wird die Wettbewerbsfähigkeit vermindern. 2010 wird ein schmerzhaftes Jahr für uns alle, auch für die neue Regierung in Berlin.

h3. Sven Kahlert (39), Cheftrainer des 1. FFC Frankfurt

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Ich wünsche mir vor allem Gesundheit: Für meine Mannschaft, aber auch für meine Familie und mich. Beim 1. Frauen-Fußball-Club haben wir zurzeit vier bis fünf langzeitverletzte Spielerinnen, und ich hoffe, dass sie bald wieder zu uns stoßen können. Als neuer Trainer möchte ich, dass hier in Zukunft alles wieder positiver und fußballerischer läuft. Ich möchte, dass wir wieder der FFC werden, vor dem die meisten anderen Mannschaften großen Respekt haben. Dazu gehört auch Glück: Für die Mannschaft, den Verein und mich. Im Übrigen bin ich konfessionslos und glaube nur, was ich sehe und erfahre. Politiker versprechen ja immer viel. Ich bin gespannt, was davon sie halten.

h3. Kamel Bendlmocemene (40), Goldschmied

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Ich wünsche mir natürlich, dass es allgemein in der Welt wieder aufwärts geht und sich auch vielleicht für mich persönlich die Perspektive verbessert. Ich komme aus Algerien und war dort Goldschmied. In Deutschland lebe ich jetzt seit 18 Jahren, davon 15 in Frankfurt. Die großen Firmen stellen nur noch Leiharbeiter ein, und nach ein paar Wochen Arbeit ist man dann wieder arbeitslos. Insgesamt ist die Lage der Menschen mit wenig Geld in den letzten Jahren spürbar schlimmer geworden. Und das erwarte ich im Grunde auch vom nächsten Jahr. Ich bin gläubiger Muslim. Ich habe Angst vor Krieg und Terror und bete fünf Mal am Tag – auch für den Frieden in der Welt.

h3. Alisha Weitzel (19), Schülerin

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Für das nächste Jahr wünsche ich mir, dass meine Freunde und ich die Abiturprüfungen erfolgreich hinter uns bringen können und die letzten dreizehn Schuljahre mit der Abiverleihung und dem Abiball einen schönen Abschluss finden. Es wäre auch toll, wenn ich im April eine Zusage von meiner Wunschuniversität bekommen würde. Im Sommer würde ich gerne mit einer Freundin für ein paar Tage nach New York fliegen und danach meine Großeltern besuchen fahren, vielleicht mit dem Greyhound. Nach den langen Ferien würde ich gerne mein Studium beginnen und wünsche mir, dass das ohne große Schwierigkeiten vonstatten gehen kann. Mit meinen Freunden möchte ich auf jeden Fall noch in Kontakt bleiben, auch wenn wir alle wahrscheinlich etwas völlig anderes machen werden, nächstes Jahr.

!(kasten)2009/12/seite04_oben.jpg(Jahreswechsel sind immer ein guter Anlass, Bilanz zu ziehen und über Perspektiven nachzudenken. Das neue Kirchenjahr beginnt übrigens nicht erst am 1. Januar, sondern bereits am ersten Advent. | Foto: Fotolia.com / Pixel)!

h2. Und außerdem: Der 150. Todestag von Schopenhauer

Auf die Anfrage von „Evangelisches Frankfurt“ nach einem Beitrag für diese Seite erinnerte Oberbürgermeisterin Petra Roth auch an einen Gedenktag, den Frankfurt im Jahr 2010 begehen wird: den 150. Todestag eines berühmten einstigen Mitbürgers, des Philosophen Arthur Schopenhauer, dessen Denken auch großen Einfluss auf die Theologie hatte. Roth schreibt: „Die Begründung für seinen rund 30-jährigen Aufenthalt in unserer Stadt mag uns Bestätigung und Verpflichtung zugleich sein für unsere Entscheidung, in dieser Stadt zu wohnen und sie zu gestalten.“

Und das war es, was Schopenhauer 1833 an seiner Wahlheimat Frankfurt so gefiel: „Gesundes Klima. Schöne Gegend. Annehmlichkeiten und Abwechslung großer Städte. Besseres Lesezimmer. Das Naturhistorische Museum. Besseres Schauspiel, Oper und Concerte. Mehr Engländer. Bessere Kaffeehäuser. Kein schlechtes Wasser. Die Senckenbergische Bibliothek. Keine Überschwemmungen. Weniger beobachtet. Die Freundlichkeit des Platzes und seiner ganzen Umgebung […] Ein geschickter Zahnarzt und weniger schlechte Ärzte. Keine so unerträgliche Hitze im Sommer und noch manches andere.“

p(autor). Antje Schrupp

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 29. November 2009 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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