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Aktuell

1. Februar 2010

Zuhören ist Übungssache

p(einleitung). HR-Bildungsredakteur Volker Bernius appelliert an Kitas und Schulen: Sie sollten gezielt darauf hinarbeiten, dass Kinder das Zuhören erlernen.

„Nun hör’ doch mal zu!“ – dieser ärgerliche Appell gehört in vielen Familien zum Standard in der Erziehung. Gar nicht gut, meint Volker Bernius, Bildungsredakteur beim Hessischen Rundfunk. Denn gemeint sei in diesen Fällen meistens nicht wirklich das Zu­hören, sondern das Gehorchen: „Mach, was ich dir gesagt habe.“ Wenn man Kindern jedoch wirklich Zuhören beibringen möchte, komme man mit Ermahnungen nicht weit, so Bernius.

!(rechts)2010/02/seite11_oben.jpg(Das Zuhören muss gelernt werden – und ist im Übrigen etwas völlig anderes als Gehorchen. | Foto: fotandy, Fotolia.com)!

Dass Kitas und Schulen der Fähigkeit zum Zuhören mehr Aufmerksamkeit widmen sollten, war Thema eines Vortrags, den Bernius bei einer Fachtagung des Diakonischen Werkes für Frankfurt in der Jugendkulturkirche Sankt Peter hielt. Denn das Hören sei zwar in die Wiege gelegt, das Zuhören jedoch müsse man erlernen, betonte der Hörfunkjournalist, der auch Mitbegründer der „Stiftung Zuhören“ ist. Erzieherinnen und Erzieher konnten sich bei der Tagung unter dem Motto „Am Anfang war das Wort“ in Vorträgen und Workshops im Bereich Bildung und Sprachförderung bei Kindern fortbilden.

Zuhören sei eine „Schlüsselqualifikation“ für das Sprechen und damit „zwingende Grundlage für Kommunikation“, betonte Bernius. Auf diese Tatsache werde in Kindergärten und Schulen meist zu wenig Aufmerksamkeit gerichtet. Es reiche nicht aus, die Kinder zu ermahnen, wenn sie unaufmerksam sind. Ob Kinder zuhören können, hänge von vielen Faktoren ab. Eine regelrechte „Unsitte“ in Schulen sei es zum Beispiel, wenn Lehrerinnen und Lehrer gleichzeitig etwas erklären und an die Tafel schreiben, denn damit sei die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler zwangsläufig zwei­geteilt. „Wenn Pädagogen wollen, dass ihnen zugehört wird, müssen sie die Zuhörabsicht der Kinder schulen und fördern“, sagte Bernius.

Aber auch die Räumlichkeiten seien ein Faktor. Wenn es viel Hall gibt oder die Kinder mit visuellen Reizen überflutet werden, leide die Fähigkeit zum Zuhören. Bernius empfahl den Erzieherinnen, in ihren Kitas „besondere Hörereignisse“ zu schaffen, zum Beispiel mit Hörspielen. Sie könnten im Alltag „Hörenswürdigkeiten“ aufdecken, Gespräche über das Zuhören führen und die „eigene Stimme als Instrument bewusst einsetzen“.

Kinder, die im Zuhören geübt sind, erlernten nicht nur schneller das Lesen und Schreiben. Sie verfügten auch über eine erweiterte Wahrnehmung, eine größere Unterscheidungs- und Konzentrationsfähigkeit, seien in der Lage, sich besser zu artikulieren, und gingen oft achtsamer miteinander um.

Als einen der größten Widersacher des Zuhörens hat Bernius den chronischen Mangel an Zeit ausgemacht. Aus diesem Grund „schenken wir uns immer weniger Gehör“. Außerdem würden heute die meisten Menschen das Sprechen für wichtiger halten. Bernius warnte davor, die Bedeutung des Zuhörens aus Achtlosigkeit zu sabotieren. Zuhören sei die Basis des Verstehens und eine unersetzbare soziale Kompetenz. Nicht von ungefähr bilde es für Therapeutinnen, Seelsorger und eben auch Erzieherinnen und Erzieher das berufliche Fundament.

p(autor). Doris Stickler

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Februar 2010 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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