Frieder Claus zeigte die „Bettlers Oper“ in der Heiliggeistkirche
Jeder fünfte Mensch in Frankfurt ist, wenn man die sozialwissenschaftliche Definition zugrunde legt, arm. Immer mehr Bedürftige bitten auf der Straße um eine Gabe, immer mehr Menschen wühlen Papierkörbe nach Nützlichem durch. Bei den Winterspeiseaktionen der Kirchen sitzen längst nicht mehr nur Obdachlose am Tisch, sondern zunehmend auch alte Menschen oder solche, die Arbeitslosengeld II beziehen.
Frieder Claus, Armutsexperte der württembergischen Diakonie, will über dieses Thema aufklären. Doch er hat schnell gemerkt, dass er mit Vorträgen nur wenig Beachtung erzielte. Deshalb verpackte er seine Aufklärungsarbeit auf andere Art: Eindringlicher als bloße Worte es könnten, weist Claus mit seinem Programm „Songs und Szenen aus dem armen reichen Land“ auf die Verhältnisse hin. Mit einer Aufführung in der Heiliggeistkirche war er nun zum ersten Mal auch im Rhein-Main-Gebiet zu sehen.
In der „Bettlers Oper“ erhalten Missstände tönende Stimmen und Zahlen Gesichter. Mit Empathie begleitet man etwa eine verzweifelte Buchhalterin, die als über Fünfzigjährige von einem Arbeitsplatz nur noch träumen kann. Mit Zorn verfolgt man das Schicksal jener Schwangeren, die mit Unterernährung ins Krankenhaus eingeliefert wurde: Wegen einer Nichtigkeit waren ihr die Sozialtransfers gestrichen worden.
Das Stück, das Theater- und Rockelemente verbindet, zeichnet die deutsche Realität auch mit Zahlen und Politiker-Statements nach. Die Zuschauerin erfährt zum Beispiel, dass die Superreichen häufig weder Sozialabgaben noch Steuern entrichten, die „normalen“ Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dagegen mittlerweile 80 Prozent der gesamten Lasten schultern. Oder dass ein FDP-Politiker allen Ernstes vorgeschlagen hat, Berliner Hartz IV-Bezieher als Rattenfänger zu verdingen und ihnen für jedes erlegte Tier einen Euro zu zahlen.
Für Frieder Claus ist Armut „nichts anderes als falsch verteilter Reichtum“. Mit der 90-minütigen „Bettlers Oper“ tourt er seit zwei Jahren durch die Republik. Die Frankfurter Aufführung war gleichzeitig der regionale Auftakt des Europäischen Jahres 2010 zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung.