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Von – 1. Mai 2010

Fest gegen Scheuklappen

Pfingsten: Der Heilige Geist weht auch jenseits der „Kirche“

Pfingsten ist neben Weihnachten und Ostern das dritte christliche Fest, das den Deutschen zwei Feiertage am Stück beschert. Es gehört damit zum sozialen Besitzstand, seine hohe Bedeutung für die Kirche ist aber hierzulande wenig populär. Dass es an Pfingsten nichts mit Schoko-Weihnachtsmännern und Ostereiern Vergleichbares zu kaufen gibt, ist dafür ein Signal, muss aber kein Schaden sein: Der Zugang zum Fest ist leichter, wenn man nicht erst über seine Vermarktung hinwegsteigen muss.

Das „Pfingstfenster“ im Chor der Heiliggeistkirche des Dominikanerklosters am Börneplatz: Die Glasmalereien des Künstlers Hans-Heinrich Adam zeigen die Ausgießung des Heiligen Geistes über die Apostel. Foto: Rolf Oeser

Schwer genug ist er ohnehin, denn die Hauptperson von Pfingsten ist der Heilige Geist, der im wahrsten Sinne des Wortes höher ist als unsere Vernunft. Er ist die Überall-Wirkkraft Gottes: eine Quelle von Dynamik, von Energie, von Erkenntnis. Am fünfzigsten Tag nach Ostern saßen die Jünger und Jüngerinnen zuerst begriffsstutzig und verängstigt beisammen, denn sie konnten noch nichts anfangen mit der Botschaft von Tod und Auferstehung Jesu. Dann wehte plötzlich ein neuer Wind, es kam ein kräftiger Impuls, und den Beisammensitzenden ging ein Licht auf: Sie fanden Worte für das eigentlich Unfassbare, erkannten die Bedeutung jenes Jesus, und es gelang ihnen obendrein, dies auch anderen zu vermitteln, und zwar über die eigene Religion und Kultur hinaus. An Pfingsten bekam die Christusbotschaft Gesichter, Zungen, Hände, Füße und verbreitet sich seitdem in der ganzen Welt. Die Kirche – nicht die Institution, sondern die Gemeinschaft der Gläubigen aus Menschen aller Nationen, Hautfarben und Kulturen – war geboren, und sie begann zu wachsen, blühen und gedeihen. Zweitausend Jahre später gibt es mehr zwei Milliarden Christinnen und Christen auf der Welt.

Hierzulande fehlt diesem „Geburtstagsfest der Kirche“ jedoch oft das Dynamische, die Glut. Es springt kein Funke springt über – Christentum mit Burn-Out-Syndrom, möchte man sagen. Das müde gefeierte Pfingstfest darf allerdings nicht als Zeichen für einen müde gewordenen Heiligen Geist missverstanden werden. Es zeigt nur, dass die institutionalisierte Kirche schwer trägt an ihrer Tradition, an ihren Spaltungen und Irrwegen. Dagegen ziehen die „Pfingstgemeinden“ mit ihrer von der Skyline theologischer Hochhäuser unverstellten Dynamik so viele Menschen in ihren Bann – wenngleich man über das, was da theologisch gebaut wird, oft die Hände über dem Kopf zusammenschlagen mag.

Auch in den etablierten Kirchen wird immer deutlicher, dass Pfingsten nicht das Fest der Institutionen ist, die das Wort „Kirche” im Namen tragen, sondern aller Menschen, die sich als Christen und Christinnen verstehen. Es ist das bitter nötige Fest gegen Scheuklappen. Zwei Feiertage sind dafür nicht zu viel.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Mai 2010 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.