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Aktuell

Von – 1. Mai 2010

Religionsunterricht in der Sackgasse

Viele wollten es gar nicht glauben: Als die hessischen Kirchenvertreter unter dem Motto „Besser gemeinsam?“ über die Zukunft des Religionsunterrichtes informierten, war erwartet worden, dass sie ein Konzept für eine konfessionsübergreifende Pädagogik vorstellen. Die angekündigte Richtung ist aber genau entgegengesetzt: Es soll weiterhin nach evangelisch und katholisch getrennt unterrichtet werden.

Dass das in Großstädten wie Frankfurt, wo immer weniger Kinder überhaupt einer Kirche angehören, kaum zu organisieren ist, dass fast alle Eltern sich eine gemeinsame christliche Erziehung für ihre Kinder wünschen, dass die meisten Lehrerinnen und Lehrer die Trennung für pädagogisch falsch halten – all das scheint in den Kircheninstitutionen nicht zu interessieren.

Die Welt ist längst nicht mehr, so wie früher, in evangelische und katholische Milieus geteilt. Erstens gibt es inzwischen noch viele andere Religionen (und den Atheismus). Vor allem aber lassen sich gesellschaftliche Konfliktlinien nicht mehr an der Religionszugehörigkeit festmachen. Und schon gar nicht an der Konfession.

Da wäre etwa die Bedeutung individueller Rechte und der Würde jedes einzelnen Menschen: Hier trennen sich liberale, freiheitlich denkende Milieus von fundamentalistischen und intoleranten. Ein zweiter Konflikt verläuft zwischen denjenigen, die allein auf den Menschen setzen, also auf technische Beherrschbarkeit und wissenschaftliche Machbarkeit, und jene, die im „Willen Gottes“ eine Grenze für menschliches Handeln sehen. Das sind ganz reale Differenzen, die im Alltag von Bedeutung sind.

Es ist offensichtlich, dass die Trennung hier nicht entlang von evangelisch-katholisch verläuft. Differenzen in der Rechtfertigungslehre oder beim Abendmahlsverständnis können auch im gemeinsamen Unterricht behandelt werden. Viele Eltern und Lehrerinnen halten anderes für wichtiger, und zwar nicht, weil sie religiös zu ungebildet wären, um die tiefere Bedeutung konfessioneller Unterschiede zu verstehen, sondern weil sie sehen, dass die kirchenoffizielle Position sich hier in eine Sackgasse verrennt.

Religionsunterricht soll Kindern eine auf christlichem Glauben gründende Orientierung geben im Bezug auf Fragen, die die Welt wirklich hat, und nicht auf solche, die nur aus einem sentimentalen Traditionsverständnis heraus kultiviert werden. Die Entscheidung der Kirchen für konfessionsgetrennten Religionsunterricht ist nicht nur realitätsblind. Sie ist auch theologisch zweifelhaft.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Mai 2010 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.