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Von – 1. Mai 2010

Tod einer Bestsellerautorin

Vor 700 Jahren, am Pfingstmontag des Jahres 1310, wurde in Paris eine etwa fünfzig Jahre alte Frau auf dem Scheiterhaufen verbrannt: Margarete Porete hatte ihr Buch „Der Spiegel der einfachen Seelen“ nicht widerrufen, obwohl eine kirchliche Kommission nach langer Prüfung festgelegt hatte, dass einige seiner Thesen gotteslästerlich seien. Poretes Tod verhinderte aber nicht, dass der „Spiegel“ von vielen Menschen gelesen wurde und die christliche Mystik stark beeinflusst hat.

In gewisser Weise kann Margarete Porete sogar als frühe Vorläuferin der Reformation gelten, denn sie beschreibt, wie Menschen eine Beziehung zu Gott haben können, ohne auf die Vermittlung kirchlicher Autoritäten angewiesen zu sein. Doch sie ist weit radikaler als später Martin Luther: Auch die Vernunft und die Tugend, so meint sie, können nicht dabei helfen, Gott zu finden. Der Verstand sehe ohnehin nur „das Grobe“, die Tugend hingegen sei zwar lobenswert, habe aber mit Gott nichts zu tun. Porete beschreibt ihren persönlichen Weg hin zu der Erkenntnis, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als Gott zu lieben. Gottes Existenz lässt sich nicht beweisen, sondern nur ersehnen. Gott ist nicht „etwas“, das man erforschen kann, sondern Gott ist real, wenn Menschen lieben, und zwar nicht irgendein weltliches Objekt, sondern eben – Gott, „das Fern-Nahe“, wie sie es nennt.

Als Begine gehörte Margarete Porete zu einer religiösen Bewegung und Lebensgemeinschaft von Frauen, die im späten Mittelalter sehr bedeutend war. Später wurden die Beginenhäuser entweder verboten oder in die offizielle Kirche eingereiht.

Der „Spiegel der einfachen Seelen“ war eine Art internationaler Bestseller. Nach der Hinrichtung seiner Autorin wurde er Jahrhunderte lang anonym verbreitet, Übersetzungen in Latein, Englisch und Italienisch entstanden bereits im 14. Jahrhundert. Im Lauf der Zeit wurde das Buch verschiedenen religiösen Autoritäten zugeschrieben, bis eine Historikerin 1946 Margarete Porete zweifelsfrei als die Autorin identifizierte.

Erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird das Buch auch mit katholischer Druckerlaubnis verlegt. Eine broschierte Neuauflage ist soeben im Topos-Verlag erschienen.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Mai 2010 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.