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Von – 1. September 2010

„Das Zeugs“ wurde einfach weggeheiratet

Heute sind die meisten in der evangelischen Kirche stolz darauf, Pfarrerinnen zu haben – ist das doch ein Plus gegenüber anderen christlichen Konfessionen, wo Frauen nicht gleichberechtigt sind. Ein Salon im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum zum 60. Jubiläum der Frauenordination in Hessen und Nassau erinnerte daran, wie steinig der Weg bis dahin war.

Die frühere Frankfurter Pröpstin Helga Trösken im Gespräch mit einer jungen Pfarrerin: Sie war 1987 deutschlandweit die erste Frau in einem bischöflichen Amt. Foto: Ilona Surrey

In der evangelischen Kirche sind Frauen in leitenden Ämtern heute selbstverständlich: Die Pfarrämter werden zu 35 Prozent von Pfarrerinnen besetzt, unter den Theologiestudierenden sind sogar 60 bis 70 Prozent weiblich. Pfarrerin Eli Wolf, die Leiterin des Frauenbegegnungszentrums, betonte aber, dass es bei der Zulassung von Frauen zum Pfarramt vor sechzig Jahren nicht nur um eine Frage von Rechten gegangen sei, sondern darum, Frauen genauso wie Männer als „Ebenbilder Gottes“ anzuerkennen.

Kirchenpräsident Volker Jung erinnerte daran, dass ordinierte Frauen damals den Männern noch keineswegs vollkommen gleichgestellt waren: Sie durften nicht heiraten und erhielten nur 80 Prozent des Gehalts. Außerdem bekamen sie zunächst oft keine eigene Gemeinde und hatten sich streng an die Vorgaben für „angemessene liturgische Kleidung“ zu halten. Die vollkommene Gleichstellung erfolgte erst vor 40 Jahren. Auch heute noch müsse immer wieder überprüft werden, ob die Teilhabe von Frauen blockiert sei, unterstrich der Kirchenpräsident. So entspreche das aktuell gültige Leitbild von Ehe und Familie für Pfarrerinnen und Pfarrer „nicht mehr den heutigen Lebensverhältnissen“.

Die 62 Jahre alte Juristin Sigrid Bernhard-Müller, die bis vor kurzem Leiterin der Kirchenverwaltung war, erzählte, dass sie 1966 auf ein Theologiestudium verzichtete, weil das damals noch eine Entscheidung zwischen Ehe und Beruf war – für Pfarrerinnen galt nämlich, anders als für Pfarrer, ein Zölibat. Sie erinnerte an die im April verstorbene Gerlind Schwöbel – ehemals Pfarrerin an der Katharinenkirche an der Hauptwache – die jahrelang dafür gekämpft hatte, als verheiratete Frau ordiniert zu werden, und es schließlich als erste Frau in Hessen auch schaffte.

Kirchenpräsident Volker Jung und Pröpstin Gabriele Scherle feierten mit beim 60. Jubiläum der Frauenordination in Hessen und Nassau im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum in Frankfurt. Foto: Ilona Surrey

Trotz rechtlicher Gleichstellung gebe es bis heute eine „männlich geprägte Kultur auf der Leitungsebene“, kritisierte Bernhard-Müller. Das bestätigte auch die Pröpstin für Rhein-Main, Gabriele Scherle. Für sie selbst habe allerdings ihre Vorgängerin Helga Trösken den Weg bereits geebnet. Trösken, die 1987 zur Pröpstin von Frankfurt gewählt wurde und damit in Deutschland die erste Frau in einem bischöflichen Amt war, erinnerte sich an so manche Unverschämtheit. So habe Kardinal Josef Ratzinger – der heutige Papst – ihr in den 1990er Jahren in Rom allen Ernstes erklärt, sie als Frau im kirchlichen Amt „störe die Gemeinschaft der Heiligen, der Lebenden und der Toten“.

Auch die heute 85 Jahre alte Inge Volp erinnerte sich an ihren steinigen Weg ins Pfarramt. Als junge Frau hatte sie an der Uni erlebt, wie männliche Studenten von Dozenten aufgefordert wurden, „das Zeugs“ – also die wenigen Frauen, die damals Theologie studierten – „wegzuheiraten“. Nach ihrer Ordination durfte sie zunächst nur als Religionslehrerin arbeiten. Jahn Lennig berichtete, dass sie nach zwei Semestern Theologie 1966 die Universität verlassen musste, weil sie ein Kind bekam. Die jetzt 71 Jahre alte Astrid Standhartinger musste sich nach ihrem Theologiestudium bei 19 Landeskirchen bewerben, bevor sie eine Pfarrstelle bekam – weil sie nicht nur ein Kind hatte, sondern auch mit einem Pfarrer verheiratet war.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. September 2010 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".