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Aktuell

Von – 1. September 2010

Jedes Essen ist erlaubt, wenn man Gott die Ehre gibt

Speisegesetze sind aktuell wie eh und je. Da gibt es muslimische Eltern, die ihren Kindern geschächtetes Fleisch in die Kita mitgeben. Oder immer mehr Menschen, die vegan leben, also gleich ganz auf tierische Produkte verzichten. Die christliche Überzeugung, dass man alles essen darf, erscheint da fast schon exotisch.

Rind, Schwein, Milch, Eier, Alkohol – im Christentum gibt es keine Nahrungsmittel, die prinzipiell verboten sind. Das ist im Vergleich zu den meisten anderen Religionen eine Besonderheit. Im Judentum und im Islam etwa ist Schweinefleisch verboten. Anderes Fleisch muss auf eine bestimmte Art und Weise zubereitet werden, damit es „koscher“ beziehungsweise „halal“, also erlaubt ist. Im Hinduismus gelten Kühe als heilig und dürfen nicht verspeist werden, der Buddhismus bevorzugt das Vegetarische.

Am ersten Sonntag im Oktober wird im Gottesdienst das Erntedankfest gefeiert. Dabei geht es darum, sich klar zu machen, dass Lebensmittel ein Geschenk Gottes sind. Hier Jugendliche in der Gemeinde Kalbach, die im vergangenen Jahr den Gottesdienstraum mit Früchten und Gemüse geschmückt haben. Foto: Rolf Oeser

Aber auch außerhalb von Religionen sind Speiseverbote verbreitet. Ob aus gesundheitlichen, moralischen oder diätbedingten Gründen: Immer mehr Menschen schließen bestimmte Nahrungsmittel aus ihrem Menüplan aus. Sie verzichten auf Tierprodukte, auf Kohlenhydrate, auf Zucker, auf Cholesterin.

Was zunächst aussieht wie ein Problem anderer Leute, beschäftigt Erzieherinnen in evangelischen Krabbelstuben oder Kindertagesstätten ganz konkret. „In letzter Zeit wird häufig von muslimischen Eltern der Wunsch an uns herangetragen, dass wir Halal-Essen, also geschächtetes Fleisch anbieten“, sagt Pfarrer Michael Frase, der Leiter des Diakonischen Werkes für Frankfurt. Kein Wunder: Immerhin ist ein Viertel der Kinder in evangelischen Kitas muslimisch. Gerade wenn ihre Eltern religiös sind, geben sie einer christlichen Einrichtung oft den Vorzug gegenüber einer kommunalen, wo Religion kaum eine Rolle spielt.

Wie auf solche Wünsche reagieren? Schweinefleisch gibt es sowieso kaum noch. Einige Kitas haben tatsächlich Halal-Essen ins Angebot aufgenommen, die meisten gehen aber pragmatisch vor: Speziell nach muslimischen Vorschriften zubereitete Mahlzeiten gibt es nicht, aber wenn die Kinder ihr Essen von zuhause mitbringen, ist es in Ordnung.

„Für viele sieht es so aus, als wären wir Christen nicht besonders fromm, weil wir keine Speisegesetze einhalten“, sagt Frase. „Das ist aber ein Irrtum: Es gehört nämlich gerade zu unserem Glauben, dass wir nicht zwischen ‚rein’ und ‚unrein’ unterscheiden. Der christliche Glaube sagt, dass wir alles essen dürfen. Das Wichtige ist, dass wir Gott für die Nahrung danken. Dass wir nicht vergessen, dass sie von ihm kommt.“

Kürzlich hat er für Erzieherinnen eine Fortbildung gemacht, damit sie für entsprechende Gespräche besser mit theologischen Argumenten ausgestattet sind. Denn es ist die Frage, wie weit man den Anfragen anderer Religionen entgegenkommen soll. „Ich finde, dass wir als christlicher Träger kein Halal-Essen anbieten sollten“, betont Frase. „Und zwar deshalb, weil das die liberalen Muslime unter Druck setzen könnte. Sie müssten sich dann vielleicht dafür rechtfertigen, kein Halal-Essen zu bestellen.“

Es ist jedenfalls nicht Gleichgültigkeit gegenüber der Religion, sondern im Gegenteil gerade die spezielle christliche Ausprägung von Religion, dass es keine fixen Speisegesetze gibt. Christinnen und Christen sind überzeugt, dass man nicht näher zu Gott kommt, wenn man bestimmte Dinge isst oder nicht isst. Sondern dass etwas ganz anderes wichtig ist.

Wie der Apostel Paulus sagte: „Ob ihr nun esst oder trinkt oder was ihr auch tut, das tut alles zu Gottes Ehre.“

„Nichts ist unrein“, sagt Paulus

Der Apostel Paulus nach einem Altarbild in Orvieto, das im 14. Jahrhundert entstand. Foto: The Yorck Project

Die ersten Christinnen und Christen gehörten zum Judentum und hielten sich selbstverständlich auch an dessen Speisegesetze. Da sie sich mit ihrer Botschaft vom Reich Gottes aber auch an Angehörige anderer Religionen wandten, stellte sich eine ganz praktische Frage: Müssen diese „Heiden“ sich auch an die jüdischen Gesetze halten, wenn sie Christen werden wollen? Das wäre sehr kompliziert gewesen, denn im Judentum gibt es sehr viele Regeln zu beachten. Daher beschlossen die Apostel zunächst, das Ganze auf drei zentrale Regeln zu vereinfachen.

Paulus aber hob die Speisegesetze letztlich ganz auf. In seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth verweist er auf den Psalm 24 aus der hebräischen Bibel, wo es heißt: „Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist.“ Wenn aber Gott alles geschaffen hat – warum sollen dann manche Dinge unrein sein?

Sogar gegen das Essen von Opferfleisch für heidnische Gottheiten hat Paulus nicht prinzipiell etwas einzuwenden: „Wenn euch Leute einladen, die nicht an den Gott Israels glauben, und ihr hingehen möchtet, esst alles, was euch vorgesetzt wird.“ Sein Argument: Da man selbst ja sicher ist, dass es diese Gottheiten gar nicht gibt, sondern nur den einen Gott der Juden und Christen, ist es auch völlig egal, ob man ihr Opferfleisch isst oder nicht.

Paulus empfiehlt, bei den eigenen Essgewohnheiten auf die anderen Menschen, mit denen man es gerade zu tun hat, Rücksicht zu nehmen. Sein Beispiel ist: Wenn man selbst „Götzenfleisch“ isst, etwa weil man bei Leuten zu Gast ist, die an diese heidnischen Götter glauben, dann könnten das andere, nicht so glaubensstarke Menschen falsch interpretieren und in Versuchung geraten, diese Gottheiten anzubeten. Diese Gefahr muss man natürlich vermeiden.

Das Alles-essen-Dürfen ist im Christentum jedenfalls kein starres Prinzip. „Wenn Speise meinen Bruder zu Fall bringt, will ich nie mehr Fleisch essen“, stellt Paulus klar.

Als Christin oder als Christ soll man die eigenen Essgewohnheiten also von Fall zu Fall bedenken und dem sozialen Kontext anpassen. Das heißt: Es wäre letzten Endes „unchristlich“, wenn zum Beispiel evangelische Kitas einfach da­rauf bestehen würden, dass es „bei uns“ nun mal Schweinefleisch gibt und damit basta.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. September 2010 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Joss schrieb am 4. November 2014

    Ich arbeite bei einem kirchlichen Träger, und wenn ich die Arbeit leite, sind Halal-Lebensmittel verboten: Sie werden boykottiert und weggeschmissen, wenn ich sie entdecke. Aus zwei Gründen: Erstens ist es Moslems erlaubt, Speisen zu essen, die nicht halal sind, sofern nur anderes Essen verfügbar ist. Insofern braucht es kein spezielles Halal-Essen. (Sowieso sind es nur ganz wenige und kleine islamische Sekten, die ihren Mitgliedern halal zwingend vorschreiben.) Zweitens kommen die Halal-Vorschriften aus der Scharia, und das ist das islamische Gesetzeswerk, was u.a. das Töten von Ungläubigen (z.B. Christen) in bestimmten Fällen vorschreibt. Eine Erlaubnis von Halal-Essen wäre eine direkte Akzeptanz dieser Regeln, und damit eine Zustimmung, dass es in Ordnung ist, Christen (z.B. mich) zu töten. Das ist in keiner Weise mit den christlichen Leitlinien meines Arbeitgebers zu vereinbaren, und für mich persönlich ist es eine widerwärtige Vorstellung. Jede christliche Einrichtung sollte Halal-Essen aus Prinzip verbieten, und das bedeutet natürlich v.a. aus religiösen Prinzipien.

  • Kirsten Heinzel schrieb am 24. Januar 2016

    Wir leben in Deutschland und der Tierschutz ist im Grundgesetz verankert. Er ist ein hohes Gut fuer dass wir lange gekaempft haben. Das Schaechten, also das betaeubungslose Ausbluten eines Tieres ist Tierquaelerei und mit unseren Werten nicht vereinbar. Es ist nur im Ausnahmefall erlaubt und nur aus religioesen Gruenden – schon das ist zu hinterfragen. Es ist jedoch mit unseren Gesetzen und unserem Wertesystem nicht vereinbar, das deutsche Kinder entgegen unserem Recht und unseren Wertvorstellungen Fleisch von derart gequaelten Tieren essen sollen. Kocht doch vegetarisch-das ist rechtskonform und kann von allen gegessen werden.

  • Friedrich Peter Niebling schrieb am 20. Juli 2016

    Was ist das für eine Überzeugung, „dass man nicht näher zu Gott kommt, wenn man bestimmte Dinge isst oder nicht isst. Sondern dass etwas ganz anderes wichtig ist.“ Wer denn –so ließe sich fragen- kommt näher zu Gott? Der, der alles isst, oder jener, der zu Gottes Ehre im Sinne des Apostel Paulus, nur ist, was seine Schöpfung nicht Zerstört bzw. nicht so viel Leid für Mensch und Tier bringt? Letzteres verlangt gewiss mehr als nur ein Dankgebet. Da müssten Eltern beispielsweise, die sich in der Aura von Wurstbrote oder Gummibärchen und Co bewegen, sich bezüglich ihrer Vorgaben von Liebe etc. ernst nehmen und das Risiko eingehen, von ihren Kleinen mal nicht gemocht zu werden. Ganz zu schweigen von den Ängsten, aus der Gemeinschaft der Heiligen und Unheiligen verstoßen zu werden; wenn es nicht grade durch ein Haus, ein Auto und ein Boot geschieht.