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Von – 1. Oktober 2010

Kämpferin für die Würde von Gefangenen

Gedenkfeier in der Festeburgkirche erinnert an die JVA-Leiterin Helga Einsele

Wenn eine verstorbene Persönlichkeit in einer Gedenkstunde mit Gedichtrezitationen und klassischen musikalischen Beiträgen gewürdigt wird, handelt es sich meist um eine Künstlerpersönlichkeit. Helga Einsele jedoch, derer kürzlich in der Festeburgkirche anlässlich ihres 100. Geburtstages gedacht wurde, war eine Pionierin in der Humanisierung des Strafvollzugs von Frauen. Fast drei Jahrzehnte lang, von 1947 bis 1975, leitete sie das Frauengefängnis in Preungesheim.

1974, ein Jahr vor ihrem Ruhestand, bekam Helga Einsele von der Deutschen Kriminologischen Gesellschaft zusammen mit zwei Kollegen für ihr Engagement die Beccaria-Medaille überreicht. Foto: Gerhard Weitkamp / dpa

Die Vorstellungen der meisten Menschen über die Innenwelt eines Gefängnisses stammen aus Krimis oder dem Fernsehen. Die Realität erfährt erst, wer hinter sich die Gefängnistore ins Schloss fallen hört: Ein zuvor frei über sich selbst bestimmender Mensch wird aus den eigenen Lebensräumen herausgenommen und muss sich einer hierarchisch vorbestimmten Zwangswelt unterwerfen. Helga Einsele widmete sich dem Thema auch wissenschaftlich und schrieb: „Der Kampf um die Aufrechterhaltung der Würde der Gefangenen muss kontinuierlich geführt werden.“

Sie musste sich dabei in der Praxis mit Aggressionen, mit Ängsten und Hoffnungslosigkeit, mit verkrusteten Strukturen, mit Bürokratie und sinnlosen Verboten auseinandersetzen. In jahrelangem Kampf setzte sie zum Beispiel durch, dass die Zellen in einen menschenwürdigen Zustand gebracht und mit modernen hygienischen Einrichtungen ausgestattet wurden. Sie hatte im Gefängnisareal ein Kinderheim geschaffen, sodass die strafgefangenen Frauen sich nicht von ihren Kindern im Vorschulalter trennen mussten. Sie hatte zudem intensive Schulungskurse für das Personal eingerichtet und Theater, Konzerte und Fortbildungskurse im Gefängnis organisiert.

Dabei musste sich die 1910 in Dölau bei Halle geborene Kriminologin mit heftigen politisch-ideologisch fixierten Widerständen gegen eine Humanisierung des Strafvollzugs auseinandersetzen. Doch es wurde ihr auch nachhaltige Hilfe zuteil. Vor allem der damalige Hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der unermüdlich bis zu seinem Tod für eine demokratisch durchdrungene Justiz und für die strafrechtliche Verfolgung von Naziverbrechen kämpfte, stand ihr zur Seite.

Zur Unterstützung der Reformarbeit von Helga Einsele kam außerdem eine kleine Gruppe von Strafverteidigern hinzu, die eine linke republikanische, sozialdemokratische und sozialistische Gesinnung hatten. Die wichtigste Quelle aber, aus der Helga Einsele immer wieder schöpfte, war ihre humanistische und emanzipatorische Grundorientierung. Zusammen mit ihrer Schwester war sie in einem bürgerlich-demokratisch gesinnten Elternhaus aufgewachsen, ihre Mutter war schon sehr früh in der Frauen-Emanzipationsbewegung engagiert. Gestorben ist Helga Einsele im Februar 2005.

Neben Grußworten von Weggefährtinnen und Weggefährten gab es in der Festeburgkirche einen 35-minütigen Dokumentarfilm zum Schaffen der Frauenrechtlerin zu sehen.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Oktober 2010 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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