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Aktuell

Von – 1. Dezember 2010

Glitzer, Glanz und sehr viel Geduld

Besinnlich, fröhlich und friedlich sollte die Adventszeit für Kinder sein. Und pädagogisch wertvoll natürlich. Basteln ist da doch genau das Richtige, oder? Ein Selbstversuch.

Es ist vier Uhr nachmittags, und man kann nicht behaupten, dass ich nicht vorbereitet bin: Glanz-, Glitzer- und Tonpapier in Rot, Blau und Gold, Glitzersteine, sieben Scheren, acht Klebestifte, elfeinhalb Kartoffeln, sechsunddreißig Pinsel, und – ein gutes Gefühl. Drei Paar große Kinderaugen schauen mich erwartungsvoll an. Genau so sollte es sein, denke ich liebevoll.

Acrylfarbe, Kleber, Goldklitzer – Basteln im Advent macht Spaß. Vorausgesetzt, man hat vorher daran gedacht, leere Klopapierrollen zu sammeln und bringt eine gehörige Portion Geduld mit. Foto: Rolf Oeser

Also: Zeitungspapier auf den Tisch, Malkittel umbinden, Entscheiden. Zur Auswahl stehen Weihnachtsengel, Weihnachtssterne, Weihnachtskarten. Emma (5) wühlt in der Kiste: „Und wo sind die Klopapierrollen?“ ruft sie. Empört, denn Klopapierrollen sind ja quasi der Grundstock jeder Bastelaktion. Vor meinem inneren Auge ziehen die Klopapierstifthalter und Klopapiermännchen meiner eigenen Kinderzeit vorbei. Noch heute zieren sie die Kellerregale meiner Mutter.

In der Besenkammer rolle ich das Papier von drei Rollen ab. Das dauert eine Weile. Inzwischen haben sich Laura (8) und Markus (11) akklimatisiert und drei Paletten mit Acryflarbe beschichtet. Gut, seufze ich, dann eben zuerst Kartoffeldruck. Laura will die Formen schnitzen, schneidet sich dabei aber in den Daumen und weint bitterlich. Ich renne in die Küche und hole Pflaster. Markus hat inzwischen eine kreisrunde Druckvorlage geschnitzt. „Ein Fußball“, verkündet er stolz. Geduldig versuche ich, ihm den Sinn und die Symbole von Advent und Weihnachten zu erläutern. Wir einigen uns schließlich auf „Mond“. Na gut.

„Und wo soll ich das jetzt draufdrucken?“ Anklagend hält mir Markus den Kartoffelmond unter die Nase. In Rekordzeit schneide ich viereckige Karten aus Pappe. Ich schwitze. Glücklicherweise ist Emma damit beschäftigt, ihre Klopapierrolle rot anzumalen, und Laura hat ihren schmerzenden Daumen vergessen. Ich nutze die Pause, um tief ein- und auszuatmen und eine CD mit Adventsliedern aufzulegen. „Ich will aber die Kika-Sommerparty“, mault Emma.

In der folgenden Stunde entstehen 15 Weihnachtskarten und ein Nikolauskopf aus Styropor, während im Hintergrund Suppi Huhn das „Ferienlied“ trällert. Laura will einen Weihnachtsengel basteln. Rosa mit Glitzer soll er sein. Markus will gar nichts und verkrümelt sich – „ich komme eben in die Vorpubertät“ – und Emma schmiert ihre klebrigen Finger an meinem T-Shirt ab. Zeit für ein Zwischenlob, denke ich trotzdem, und bewundere das freundliche einäugige Nikolausgesicht mit Wattebart am Hinterkopf. Eigentlich macht mir der Bastelnachmittag inzwischen richtig Spaß, abgesehen davon, dass Detlev Jöcker inzwischen von AC/DC aus Markus‘ Zimmer niedergebrüllt wird.

Irgendwann ist es sechs. Laura ist aus Versehen auf die noch feuchten Karten getreten, Emma hat ihren Apfelsaft über Lauras Glitzerengel verschüttet, und Markus hat Hunger. Während ich Laura die Tränen wegtröste und Markus die Küche für ein Salamibrot in ein Schlachtfeld verwandelt, beschließt Emma, dass ein Nikolaus ohne Hut und Arme völlig ausreichend ist.

Später dann singt Rolf Zuckowski sein letztes Lied „Sommerkinder“. Es ist still geworden. Aus dem Bad höre ich Markus, Laura und Emma kichern, vor mir türmen sich zerknülltes Glanz-, und Glitzerpapier, 14 eingetrocknete Pinsel und acht offene, watteverklebte Klebestifte. Ich fege Glitzersternchen vom Boden, pule Scheren aus Kartoffelschalen, verschmutze das Grundwasser mit Unmengen von Acrylfarbe und plumpse dann erschöpft auf einen Stuhl.

Von oben höre ich drei fröhliche Kinderstimmen: „Mama, das war toll, basteln wir bald mal wieder?“ Und schon kehrt meine Sanftmut zurück. Ich verpasse dem armen Glatzennikolaus einen kleinen roten Papphut. Er scheint mir freundlich zuzunicken und zu sagen: „Halb so schlimm, und: frohe Weihnachten.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Dezember 2010 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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