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Aktuell

Von – 1. Februar 2011

Fast wie eine Zeitreise in die Antike

Die koptisch-orthodoxe Kirche galt lange Zeit als nicht rechtgläubig

Etwa 1000 Mitglieder hat die Gemeinde, doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Jeden Sonntag kommen 250 Menschen zum Gottesdienst ins Gemeindezentrum St. Markus in Frankfurt-Hausen. Eine koptische Gemeinde gibt es in Frankfurt seit 1975. Siebzig Prozent der Mitglieder sind Deutsche, aber fast alle haben Wurzeln in Ägypten. Ägypten wurde 641 islamisiert, seither sind die Christen dort diskriminiert. Und der Druck wird derzeit wieder stärker. Aber daran seien nicht die Muslime schuld, sondern die ägyptische Regierung.

Pater Pigol Basili beim „Abendweihrauch“. Mit Weihrauch, Gebeten und liturgischen Formeln wird in der koptisch-orthodoxen Kirche immer am Samstagabend der Altar für den sonntäglichen Gottesdienst vorbereitet. Und kein Detail der Liturgie wird jemals verändert. Foto: Rolf Oeser

Keine Sekunde muss Diakon Michele Riad nachdenken, die Zahlen und Fakten kennt er inzwischen im Schlaf. Der Öffentlichkeitsbeauftragte der koptisch-orthodoxen Gemeinde hat in den letzten Wochen viele Fragen von Journalisten beantwortet. Die Frankfurter Gemeinde ist die größte in Deutschland. Nach einem Terroranschlag auf eine koptisch-orthodoxe Kirche in Alexandria an Silvester, bei dem 23 Menschen getötet wurden, rückten die Kopten ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Weltweit bekundeten die christlichen Kirchen ihre Solidarität mit den Glaubensgeschwistern in Ägypten. Und dann sorgten die Proteste gegen die seit Jahrzehnten herrschende Regierung für ständig neue Nachrichten aus dem nordafrikanischen Land.

Doch nicht immer war das Verhältnis zu den ägyptischen Christen und Christinnen so herzlich. Über eineinhalb Jahrtausende – seit einem Kirchenkonzil im Jahr 451 – galten sie in den Augen der anderen Kirchen als falschgläubig. Theologisch ging es dabei um die Frage, wie man die Gott-Menschlichkeit Jesu verstehen soll: War er jederzeit sowohl Gott als auch Mensch, wie die Mehrheitsmeinung lautete? Oder war er beides abwechselnd, wie die Kopten meinten?

Dahinter steckten handfeste politisch-kulturelle Meinungsverschiedenheiten: Im Jahr 330 war das Christentum von Kaiser Konstantin zur römischen Staatsreligion erklärt worden. Viele westliche Gemeinden näherten sich daraufhin der griechisch-römischen Kultur an. Im östlichen Mittelmeergebiet jedoch waren die Griechen Besatzungsmächte, die von den christlichen Gemeinden bekämpft wurden. Daher war man dort mit diesem neuen Trend gar nicht einverstanden. Diese erste große Spaltung im Christentum hat mit dazu beigetragen, dass sich der Islam seit dem 7. Jahrhundert gerade in der Region, in der Jesus gewirkt hatte, besonders leicht ausbreiten konnte. Die so genannten „altorientalischen Kirchen“ waren nie, wie die katholische, die evangelischen oder die orthodoxen Kirchen, eine „Staatsreligion“, sondern immer eine religiöse Minderheit, die oft verfolgt und diskriminiert wurde.

Diakon Michele Riad, der Öffentlichkeitsbeauftragte der koptisch-orthodoxen Gemeinde, hat in den letzten Wochen viele Fragen beantwortet. Foto: Rolf Oeser

Erst seit Ende der 1980er Jahre gestehen sich die westlichen und die orientalischen Kirchen wieder gegenseitig die Rechtgläubigkeit zu. Bis heute erkennen die Kopten aber weder das katholische noch das evangelische Abendmahl an, und bei den Evangelischen nicht mal die Taufe. „Makrotheologie“ nennt Michele Riad das, und betont, auf der „Mikroebene“, also alltäglichen Zusammenleben, sei das Verhältnis zur evangelischen Kirche in Frankfurt sogar enger als zur katholischen.

Die Kopten führen ihre Tradition auf den Evangelisten Markus zurück, der den Jesusglauben als erster nach Ägypten gebracht und in Alexandria einen Bischofssitz gegründet haben soll. Der koptische Papst Schenuda III. gilt als sein 116. Nachfolger. Die Besonderheit der koptisch-orthodoxen Kirche liegt in ihrem strikten Festhalten an der Tradition, an der kein Detail verändert werden darf, nicht einmal durch päpstliches Dekret. Ein Besuch im Gottesdienst ist fast wie eine Zeitreise in die Antike: Liturgie, Texte, Gebete – alles wird noch genauso abgehalten wie im 3. oder 4. Jahrhundert.

Deshalb dauert der Gottesdienst mehrere Stunden, was aber die Gemeindemitglieder nicht weiter stört: Kaum jemand ist von Anfang an dabei. Ein Großteil der Liturgie wird auf Koptisch gehalten, eine Sprache, die heute viele nicht mehr sprechen. Daher hält Pater Pigol Basili, der die Frankfurter Gemeinde seit über zwanzig Jahren betreut, die Predigt auf Arabisch – der einzigen Sprache, die fast alle Gemeindemitglieder verstehen.

Derzeit ist man auf der Suche nach einer neuen Bleibe. „Das Zentrum hier platzt aus allen Nähten“, sagt Riad. Die Gemeinde wächst schnell, da in den 1990er Jahren viele junge Ägypter zum Arbeiten nach Deutschland kamen – und inzwischen Familien gegründet haben.

Spaltungen im Christentum

451: Konzil von Chalcedon

Abspaltung der koptischen Kirche. Theologische Streitfrage war die Gott-Menschlichkeit Jesu, politisch-kulturell ging es um die Frage, wie weit sich das Christentum der römisch-griechischen Kultur annähern soll. Nicht nur in Ägypten, auch in Syrien und Armenien wurden die Beschlüsse von Chalcedon nicht anerkannt. Daraus gingen die so ge­nannten alt-orientalischen Kirchen hervor, zu denen heute auch die Kirchen in Äthiopien und Eritrea gehören – insgesamt rund 70 Millionen Menschen, etwa drei Prozent der Christinnen und Christen weltweit.

1054: Morgenländisches Schisma

Trennung der lateinischen von der griechischen Kirche. Streitpunkt war die Frage, wo das Zentrum der Christenheit sein soll: in Rom oder in Byzanz (dem heutigen Istanbul). Die beiden Oberhäupter – der römische Papst und der griechische Patriarch – exkommunizierten sich gegenseitig. Aus dieser Spaltung sind die römisch-katholische Kirche auf der einen und die orthodoxen Kirchen (in Griechenland, Russland, Serbien und anderen osteuropäischen Ländern) auf der anderen Seite hervorgegangen. Die römisch-katholische Kirche stellt heute mit über 1 Milliarde Mitgliedern die Hälfte der Christenheit, die orthodoxen Kirchen mit rund 225 Millionen etwa ein Zehntel.

1517: Reformation

Der Beginn der Entstehung des Protestantismus wird auf den Thesenanschlag Martin Luthers an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg datiert. Hintergrund war eine größer werdende Unzufriedenheit mit verschiedenen Entwicklungen in der römischen Kirche, vor allem die verbreitete Korruption. Aus dieser Spaltung sind viele historische protestantische und reformierte Kirchen hervorgegangen, mit unzähligen eigenständigen, oft regionalen Konfessionen, unter denen Luthertum, Calvinismus und Presbyterianismus die wichtigsten sind. Aufgrund dieser Vielfalt ist es schwer, Mitgliederzahlen zu schätzen, ingesamt sind heute wohl rund 15 Prozent aller Christinnen und Christen auf die eine oder andere Weise „evangelisch“.

20. Jahrhundert: Pfingstkirchen

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben sich – ausgehend von den USA – immer mehr unabhängige Kirchen gegründet, die die Glaubenssätze und Strukturen der historischen Kirchen nicht anerkennen und stattdessen an unmittelbare Eingebungen durch den Heiligen Geist glauben, ähnlich wie sie im biblischen Pfingstereignis beschrieben sind. Diese jungen Kirchen sind sehr uneinheitlich, haben sich aber seither in der ganzen Welt ausgebreitet, vor allem in Süd- und Lateinamerika, in Afrika und in Ostasien. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber man schätzt, dass heute bis zu 600 Millionen Menschen zu einer Pfingstgemeinde gehören, etwa ein Viertel aller Christinnen und Christen.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Februar 2011 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.

Kommentare zu diesem Artikel

  • John Toma schrieb am 21. November 2011

    An Schwester Fr. Schrupp,
    herzlichen Dank für die sehr gute, zusammengefasste, über 2000 Jahre Kirchengeschichte. Mir sind ein paar Sachen in Ihrem Artikel „Fast wie eine Zeitreise in die Antike“ aufgefallen, die bitte nach Möglichtkeit korrigiert werden müssen:

    1. Der Titel Papst (soviel wie geistiger Papa) wurde immer in der koptischen Kirche seit den frühen Jahrhunderten ganz strikt mit dem Bischofssitz in Alexanderien verknüpft. Hier seit der Apostelzeit (vergl. Apostelgeschichte 15) gehört die Legislative oder die Autorität dem Heiligen Geist durch die heilige Synode (heute ca. 100 Bischöfe) und keinem einzelnen Menschen! Die heilige Synode kann den Papst von Alexanderien exkommunizieren und es ist tatsächlich in der Geschichte der koptischen Kirche passiert. Als (117. nicht 116.) legitimen Nachfolger vom heiligen St. Markus, dem Evangelisten, nennt man den Papst von Alexanderien Patriarch, da es absolut keinelei Ähnlichkeiten mit dem Römischen Papst gibt.

    2. Im Konzil von Chalcedon (451 n.Chr.) spalteten sich die westlichen Kirchen (Rom und Konstantinopel) von den Urkirchen in Jerusalem, Ägypten, Armenien, Syrien (Bischofssitz in Antiochien) ab. Es ist wichitig das so zu formulieren und nicht anders herum, weil nach diesem verfälschten Kirchenkonzil (Patriarchen von Alexanderien und Armenien wurden z.B. mit Absicht an der Teilnahme gehindert usw.) eine gnadenlose Verfolgung gegen die altorientalischen Kirchen begann (Tausende in Jerusalem, Ägypten, Syrien,..etc. meistens Bischöfe und Priester sind für ihre Treue gegenüber der unversehrten Apostellehre massakriert worden)

    3. Es heißt im Epheserbrief „Ein Herr, ein Glaube und eine Taufe“ Die Einheit des Glaubens muss zuerst wiederhergestellt werden und dann wird der Rest automatisch vereinheitlicht.

    Anerkennung von Glaubenslehren oder Änderungen liegen weder in der Hand der koptischen Bischöfe noch in der Hand jegliches Menschen, was den Orthodoxen Kirchen seit den frühen Jahrhunderten durch die heiligen Apostel Christi und ihre legetimen Nachfolger Bischöfe (wie z.B. St.Timotheus,St. Titus, St. Ignatius, St. Polykarp,..etc.) anvertraut wurde gehört, keinem Menschen. Das ist das heilige Erbe Gottes für die ganze Menschheit. Denn es betrifft den Leib des Herrn (Seine Kirche), und die Kirchengeschichte seit der Zeit der Apostelgeschichte ist ein lebendiges Zeugnis dafür bis zur Seinen herrlichen Wiederkunft.

    Vielen herzlichen Dank Nochmals für Ihr Engagement.