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Von – 17. März 2011

„Völlig legaler Schwindel“

Ausstellung in der Katharinenkirche informiert über Steueroasen

Für normale Menschen öffnet „Die hohe Schule der Steuerflucht“ keine Tür. Wie der Finanzexperte Dirk Solte in einem gleichnamigen Vortrag in der Katharinenkirche zeigte, können Laien die Spitzfindigkeiten von Steuerschlupflöchern kaum verstehen. Außerdem sei dafür „eine Menge betrügerischer Enzyme“ vonnöten. Anlässlich der Eröffnung einer Ausstellung über „Steueroasen mitten unter uns“ lenkte der ehemalige Assistent von Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann den Blick auf gängige Methoden des Steuervermeidens.

Das „effektivste Element der Steuerhinterziehung“ ist nach Ansicht des Wirtschaftsingenieurs, der heute stellvertretender Vorstand des Ulmer Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung ist, die Kreation von so genannten „Finanzprodukten“. Hier würden Gelder, die es nicht gibt, als Sicherheit verwendet und Risiken auf andere abgewälzt – und das alles auf völlig legalem Weg. Dass die nächste Finanzmarktblase platzt, sei nur eine Frage der Zeit, sagte Solte.

Wer durch die Ausstellung geht, wird viele Argumente für diese Einschätzung finden. Die unter anderem vom Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der hessen-nassauischen Kirche und der Gewerkschaft Verdi organisierte Schau macht mit den grenzenlosen Möglichkeiten zur Steuervermeidung vertraut. Und dafür braucht es nicht einmal eine Adresse auf den Cayman-Inseln – die „Top Drei der globalen Steueroasen“ bilden die USA, Luxemburg und die Schweiz.

Durch das oft als Kavaliersdelikt verharmloste Vergehen, so Pröpstin Gabriele Scherle als Schirmherrin der Ausstellung, würden Länder und Kommunen zunehmend in prekäre Situationen gestürzt. Für die Theologin ist es schwer nachzuvollziehen, warum die Regierungen nach wie vor auf wirksame Instrumente zur Unterbindung von Steuerhinterziehung verzichten. Solte hat hingegen die Hoffnung auf die Politik weitgehend begraben. Obwohl alle wüssten, dass ohne Regulierungsmechanismen den Staatsfinanzen der Kollaps droht, habe man „die Idee einer ökosozialen Marktwirtschaft über Bord geworfen“. Das sei unter anderem auf die konkurrierenden Steuersysteme der einzelnen Staaten zurückzuführen. Möglichkeiten gäbe es durchaus: Für praktikabel hielte Solte etwa eine „Schwellgeldsteuer“, bei der für jede Erstellung neuer Finanzprodukte Gelder entrichtet werden müssten.

Angesichts der Tatsache, dass 20 Prozent der Weltbevölkerung 85 Prozent der Wertschöpfung kassierten, sieht Solte die einzige Chance im „weltweiten Hochfahren der Kultur“. Nur ein ausreichendes Maß an Bildung – und zwar für alle Erdenbürgerinnen und Erdenbürger – könne das Schlimmste verhindern.

Die Ausstellung ist bis zum 23. März in der Katharinenkirche an der Hauptwache zu sehen: werktags von 14 bis 19 Uhr, sonntags nach dem Gottesdienst.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 17. März 2011 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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