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Von – 12. Februar 2012

Es auch mal gut sein lassen

„Sieben Wochen ohne falschen Ehrgeiz“ lautet das diesjährige Motto der evangelischen Fastenaktion.

Von Aschermittwoch bis Karsamstag dauert die christliche Passionszeit. Traditionell wird dann auf Fleisch, auf Alkohol, auf Süßigkeiten verzichtet. Um deutlich zu machen, dass es dabei nicht um bloßen Verzicht und Askese geht, sondern darum, für Sinnfragen des Lebens aufmerksam zu werden, hat

die Evangelische Kirche in Deutschland die Kampagne „Sieben Wochen ohne“ ins Leben gerufen. Jedes Jahr gibt es dabei ein anderes Motto, zu dem sich regionale Fastengruppen treffen und austauschen. Auf den Internetseiten www.7wochenohne.de werden Materialien wie Fastenkalender oder Hintergrundinformationen angeboten.

In diesem Jahr schlägt das Motto vor, in der Fastenzeit auf „falschen Ehrgeiz“ zu verzichten. „Sieben Wochen lang dürfen Sie’s gut genug sein lassen und den Blick schulen für den Punkt, wo’s reicht. Darf Zufriedenheit aufkeimen mit dem Gegebenen, dem Geschenkten. Darf Wissen aufleuchten um die Unverfügbarkeit des Glücks“, schreibt der Chrismon-Chefredakteur Arnd Brummer, der die Kampagne inhaltlich konzipiert hat.

Foto: RTimages – Fotolia.com

Das Thema ist gut gewählt. Wer hätte schließlich nicht damit zu kämpfen, dass ständig irgendwo irgendetwas optimiert werden soll, dass die Dinge noch besser, noch schneller, noch effizienter ablaufen müssen. Noch kundenfreundlicher, noch transparenter, noch vernetzter – eine ständige Hetze. Das ist verrückt. Viele Menschen leiden unter Stress, unter Burnout, unter Überforderung. In der Tat: Die Fastenzeit ist eine gute Gelegenheit, um zu lernen, dass man sich auch mal damit zufrieden geben kann, wenn etwas nicht ganz perfekt ist, sondern eben „gut genug“.

Das Wort „Ehrgeiz“ bedeutet wörtlich „Gier nach Ehre“. Im Mittelhochdeutschen hatte das Wort „Geiz“ noch nicht die heutige Bedeutung von Knausrigkeit, sondern bezeichnete einfach Gier, Habsucht. Wer ehrgeizig ist, ist also gierig nach Ehre, will Ruhm und Macht erringen. Ehrgeizige Menschen sind bestrebt, immer besser zu sein als die anderen, denn wenn alle gut sind, gibt es keine Auszeichnungen.

Vor diesem Hintergrund ist die Wahl des Slogans aufschlussreich: „Sieben Wochen ohne falschen Ehrgeiz“. Warum eigentlich nur ohne falschen? Vermutlich liegt das daran, dass Ehrgeiz heute im Prinzip als gesellschaftlich notwendig und wünschenswert angesehen wird und nicht mehr – wie noch vor einem halben Jahrhundert – als eindeutig negative Charaktereigenschaft. Die stillschweigende Annahme dahinter lautet: Wer keinen Ehrgeiz hat, ist letztlich faul und träge. Sicher, man soll es mit dem Ehrgeiz nicht übertreiben, keinen „falschen“ Ehrgeiz an den Tag legen – aber „gesunder“ Ehrgeiz, der muss schon sein.

Doch gibt es soetwas wie „gesunden“ Ehrgeiz überhaupt? Könnte man nicht auch einmal ausprobieren, wie es ist, auf Ehrgeiz ganz zu verzichten? Wenn nicht mehr der Wunsch nach Anerkennung und Lob der Motor des eigenen Arbeitens ist, würde vielleicht mehr Raum entstehen für echte Begeisterung. Für den Wunsch, etwas zu bewegen, sich für eine gute Sache zu engagieren, ganz unabhängig davon, was mir selbst das „bringt“ und ob am Ende „Ehre“ dabei herausspringt.

„Als Christen ist uns gesagt: Jenseits allen Werkelns hat der Mensch einen Wert an sich“, schreibt Arnd Brummer in seiner Einladung zur Fastenaktion. Genau so ist es. Deshalb könnten sie es sich aber eigentlich auch leisten, auf den Ehrgeiz einmal ganz zu verzichten, sei er nun „falsch“ oder „gesund“. Wenigstens für überschaubare sieben Wochen.

(Foto: RTimages – Fotolia.com)

TV-Gottesdienst aus Sachsenhausen

Der Eröffnungsgottesdienst zur bundesweiten Fastenaktion „7 Wochen ohne“ wird am Sonntag, 26. Februar, ab 9.30 Uhr live im ZDF übertragen. Er kommt in diesem Jahr aus Frankfurt, und zwar aus der Dreikönigskirche am Sachsenhäuser Ufer. Die Predigt hält die bayrische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler als Vorsitzende des Kuratoriums der Aktion. Auch Arnd Brummer von Chrismon wirkt mit, die Liturgie gestaltet Pfarrer Martin Vorländer von der Dreikönigsgemeinde – von ihm gibt es auch ein Video auf der Seite www.7wochenohne.de. Die Musik gestaltet Kantor Andreas Köhs mit dem Kurt-Thomas-Kammerchor. Wegen der Live-Übertragung sind die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher gebeten, ihre Plätze bis 9 Uhr einzunehmen.

Fastenzeit feiern

Eine Anleitung dazu bekommen Interessierte am Mittwoch, 15. Februar, um 19 Uhr im Ökumenischen Zentrum Christuskirche am Beethovenplatz im Westend.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 12. Februar 2012 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Peter Niebling schrieb am 4. Mai 2012

    Hat die Kirche zu viel Einfluss?

    Welchen Einfluss und auf was? Welchen Einfluss auf was haben Gottgläubige? Welchen Einfluss auf was hat Gott? Auf was will ich hoffen? Auf Besserungen im alltäglichen Kampf um die Le-benserhaltung? Auf hilfreiche Einsichten und Genesung des Geistes und der Seelen, respektive des Handelns und Handels? Die Selbstzerstörung indes tanzt weiter sichtbar und unsichtbar ihren Reigen mit vielen guten Absichten und unverdächtigen Normalitäten. Ändert sich das, wenn die absolute Mehrheit der Regierungssitze mit Vertretern der Kirche besetzt sind? Wird es dann mehr, oder weniger Tafeln(Armenspeisungen) geben? Oder tafeln dann nur Andere beim Siebengängemenü?