Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

Von – 12. Mai 2012

Podium: Opfer sind nicht immer schwach

Seine Geschichte ist unglaublich: Fünf Jahre lang saß der Lehrer Horst Arnold unschuldig im Gefängnis. Eine Kollegin hatte ihn der Vergewaltigung beschuldigt, doch nach seiner Entlassung konnte er seine Unschuld beweisen. Haft, Wiederaufnahmeverfahren und Freispruch dauerten über zehn Jahre. Jetzt möchte Arnold nur eines: ein normales Leben führen. Derzeit lebt er von Hartz IV. Bewerbungen für den Schuldienst waren bisher erfolglos. „Als Sieger fühle ich mich noch lange nicht“, stellte er auf einer Podiumsdiskussion im Evangelischen Medienhaus fest. Allen ist klar, dass dieser Mann noch einen weiten Weg vor sich hat.

Thema der Diskussion war: „Wenn der Schwächere gewinnt“. Das christliche Kreuz sei ein Zeichen der Überwindung des Todes, sagte Kirchenpräsident Volker Jung. Jesus habe sich immer an die Seite der Opfer gestellt. In Krisensituationen könnten biblische Bilder helfen. Jung: „Ich habe Menschen erlebt, die das als Kraftimpuls aufnehmen konnten.“

Eine davon ist Gabriele von Lutzau. Sie war 1977 Stewardess an Bord des von palästinensischen Terroristen entführten Flugzeugs „Landshut“. Damals habe sie im Moment der größten Angst einfach reagiert: „Ich habe nicht überlegt.“ Weil sie den als Geiseln genommenen Passagieren Mut und Trost spendete, ist von Lutzau auch als „Engel von Mogadischu“ bekannt geworden: „In diesem Moment habe ich selbst das Vater Unser nicht mehr zusammenbekommen. Wir sollten sterben. Aber wir haben nicht aufgegeben.“

Für den Psychologen Holger Schlageter ist solch eine Haltung nachvollziehbar. Der Mensch könne sich als Opfer ohnmächtig fühlen, oder, aufgrund seiner Persönlichkeit, auch mächtig. Dann wehre er sich. Deshalb sei auch das Gefühl der Rache wichtig. „Wir sind viel zu weit in Richtung Aggressionslosigkeit gegangen“, glaubt der Psychologie. Aggression sei wichtig im Handeln. Denn: „Ich bin nicht Opfer, ich werde Opfer“. Es sei wichtig, das Geschehen zu verstehen. „Erst wenn man ein Etikett auf das Geschehen kleben kann, ist die Heilung abgeschlossen.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 12. Mai 2012 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+

Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Mehr über den Publizisten und Erziehungswissenschaftler ist auf www.eimuth.de zu erfahren.