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Von – 25. Juli 2012

Nur Arbeit ermöglicht Teilhabe

Alle Menschen sollen die Chance haben, die ihnen von Gott verliehenen Gaben auszubauen und einzusetzen. Wäre ein Bedingungsloses Grundeinkommen eine Möglichkeit, dieses Ziel in die Realität umzusetzen?

Gunter Volz ist Pfarrer für Gesellschaftliche Verantwortung in Frankfurt. Foto: Ilona Surrey

Nach evangelischem Verständnis ist „gerechte Teilhabe“ der entscheidende Begriff für eine Gesellschaft, die niemanden ausschließt. Doch wie lässt sich das in die Realität umsetzen, wenn der Arbeitsplatz fehlt?

Das Modell des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) beschreitet sozialstaatliches Neuland, indem es Erwerbsarbeit und soziale Sicherung voneinander trennt. Alle sozialstaatlichen Leistungen werden zu einem einzigen Instrument gebündelt. Der Staat zahlt also allen Menschen, ähnlich wie bei einem Gewinn der „Aktion Mensch“,  eine Art Sofortrente: ohne Bedingungen und auf Dauer.

Chance auf größere Freiheit bei der Jobwahl

Das widerspricht aller Logik von Geben und Nehmen, wonach nur jemand etwas bekommen soll, der vorher auch etwas gegeben hat. Gerade darin liegt der Reiz dieser Idee: Arbeitslose bräuchten sich nicht mehr einer Bedürftigkeitsprüfung durch die Behörden zu unterwerfen. Wer vom Staat eine garantierte finanzielle Grundausstattung bekommt, hat die Chance einer größeren Freiheit bei der Auswahl eines Jobs oder der Übernahme eines Ehrenamts. Mittlerweile wird das Grundeinkommen von Menschen aus allen politischen Parteien und Strömungen vertreten: Vom linken, öko-sozialen und liberalen Spektrum bis hin zu Unternehmern wie dem Gründer der Drogerie-Kette „dm“ Götz Werner.

Blinde Flecken des Grundeinkommens

Doch kein Licht ohne Schatten: In welcher Höhe soll das Bedingungslose Grundeinkommen gezahlt werden? Unterschiedliche Modelle variieren zwischen 600 Euro und 1.500 Euro als Fernziel. Davon abhängig ist auch seine Finanzierbarkeit. Braucht der Staat dafür zusätzliche steuerliche Mehreinnahmen? Wie wird das BGE mit anderen Sozialleistungen, zum Beispiel Rentenansprüchen, verrechnet?

Kritiker heben darauf ab, dass durch ein Grundeinkommen Anreize für Arbeitslose, sich einen Job zu suchen, wegfallen. Das BGE stelle sie ruhig, ohne dass sie eine dauerhafte Arbeitsperspektive erhielten. Dadurch könne soziale Stigmatisierung sogar noch verschärft werden. Feministinnen haben das BGE als „Herdprämie“ bezeichnet. Von gewerkschaftlicher Seite wird die Gefahr ins Feld geführt, den Niedriglohnsektor zu subventionieren und Schwarzarbeit zu fördern.

Luther: Der Mensch ist zur Arbeit geboren

Arbeiter auf der Baustelle für die neue Zentrale der Europäischen Zentralbank. Nicht nur für das Einkommen ist es wichtig, einen Arbeitsplatz zu haben. Für viele ist der Beruf auch wichtig, um an der Gesellschaft teilzuhaben: Man hat etwas zu tun und trifft Menschen. Foto: Frank Rumpenhorst dpa/lhe

Martin Luther hat zur Bedeutung von Arbeit gesagt: „Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen.“ Er hebt hervor, dass der Mensch Gott und dem Nächsten am besten in dem „Beruf“ diene, in den ihn Gott gestellt hat. Arbeit wird damit gewissermaßen zum „Gottesdienst im Alltag“. So gesehen hat Luther christliche Lebensführung und persönliche Identität auf die Arbeit hin programmiert, auch wenn er damit keine einseitige Ausrichtung auf bezahlte Arbeit meinte.

Diese für unsere Zivilisationsgeschichte so folgenreiche Weichenstellung der Reformation spielt eine wichtige Rolle dabei, wie „Teilhabe“ gesellschaftlich ausgestaltet wird. Die meisten Arbeitslosen, die ich aus meinen Workshops kenne, wünschen sich eine gute und dauerhafte Arbeit und keine Transferleistungen vom Staat.

Die Erwerbsarbeit geht uns nicht aus

Das Grundeinkommen war eine Antwort auf die Frage, ob der modernen Gesellschaft die Erwerbsarbeit ausgeht. Doch diese Befürchtung ist unbegründet. Es fehlen schon jetzt Erzieherinnen und Facharbeiter. Der gesellschaftliche Bedarf an personennahen Dienstleistungen im Bereich von Erziehung, Bildung und Pflege, die nicht durch Maschinen zu ersetzen sind, ist schon heute enorm und wird noch weiter anwachsen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, konzentriert in Aus- und Fortbildung zu investieren. Gesellschaftlich notwendige Arbeit muss nach skandinavischem Vorbild so weiterentwickelt werden, dass sie auch für diejenigen attraktiv ist, die auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind, und ihnen eine gesicherte Existenz ermöglicht.

Für eine gelingende Teilhabe all derer, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt keine Chance haben, braucht es einen Ansatz, der über rein finanzielle Hilfen hinausgeht: eine gute Kombination aus passgenauen Bildungs- und Qualifizierungselementen, einer effizienten Grundsicherung, Mindestlöhnen sowie einem staatlich geförderten zweiten Arbeitsmarkt.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 25. Juli 2012 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe , .

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Gunter Volz ist Pfarrer für gesellschaftliche Verantwortung der Kirche.