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Aktuell

Von – 14. September 2012

Das Gallus – ein Stadtteil wird „hip“

Wird das Gallus „gentrifiziert“? Droht eine Explosion der Mieten und die Verdrängung der Alteingesessenen? Wie soll sich der Stadtteil entwickeln? Um solche Fragen ging es bei einer Podiumsdiskussion gestern Abend im Rahmen des Projektes „Entlang der Mainzer“.

Was ist gut für’s Gallus? Das fragten sich viele interessierte Gäste bei der Podiumsdiskussion gestern Abend im Rahmen von „Entlang der Mainzer“ im Gallustheater. Foto: Antje Schrupp

Kurzfristig eher nicht, langfristig vielleicht schon – so könnte die Prognose lauten, ob die derzeitige Aufwertung des Gallus dazu führen wird, dass die Mieten zu hoch werden und die alteingesessene Bevölkerung vertrieben wird. Neu wäre eine solche Entwicklung nicht für Frankfurt: das Westend und das Nordend haben sie längst hinter sich, das Ostend und Bockenheim machen sie gerade durch.

Auf dem Podium, zu dem die Evangelische Akademie gemeinsam mit den Frankfurter Grünen eingeladen hatte, war man sich einig, dass das Gallus in den letzten zwanzig Jahren eine überaus positive Entwicklung genommen hat. Das traditionell eher negative Image eines unattraktiven oder gar gefährlichen Stadtteils schwindet, Künstlerinnen und Künstler haben das Quartier entdeckt, Investoren ebenso.

Hier gibt es noch echte Stadtteilfeste

Sabine Hoffmann vom Gallus Zentrum betonte die gute Vernetzung, den Zusammenhalt. „Hier gibt es Stadtteilfeste, die den Namen noch verdienen und keine Event-Feste mit Scampiständen sind“, sagte sie, „Ich will nicht, dass sich das verändert.“

Gisela Weltz, Kulturanthropologin von der Uni Frankfurt, warnte davor, beim Imagewandel des Gallus die Bevölkerung nur als Staffage oder Kulisse zu betrachte. Auch kulturelle Projekte seien häufig Vorläufer von Verdrängungsprozessen.

Wohnungen wurden aufgewertet

Frank Junker von der ABG Frankfurt Holding, die mit 5500 Wohnungen mehr als die Hälfte des Wohnraums im Gallus besitzt, betonte, dass die Mieten derzeit noch sehr günstig seien – 10 Euro im Durchschnitt, 7 Euro im Bestand der ABG. Zwar habe es in den vergangenen zwanzig Jahren einen Mietanstieg gegeben, doch seien die Wohnungen auch entsprechend aufgewertet worden – vergrößert, mit neuen Heizungen und Bädern. Das sei notwendig gewesen, um Familien im Gallus zu halten. Da die ABG Mietwohnungen nicht in Eigentumswohnungen umwandele und sich bei Vermietungen strikt an den Mietspiegel halte, sei eine Preisexplosion nicht zu befürchten.

Monika Kittler von der Gemeinde Frieden und Versöhnung betonte, dass der Bedarf nach größerem Wohnraum für viele Menschen vordringlich sei. Die Lebensgewohnheiten hätten sich geändert, Kinder würden seltener draußen spielen, und eine Zweizimmerwohnung sei für Familien nicht mehr ausreichend.

Das Gallus ist kein sozialer Brennpunkt

Das Gallus sei kein sozialer Brennpunkt, auch wenn hier viele Menschen mit eher niedrigem Einkommen lebten, betonte Kittler. „Die Menschen, mit denen ich zu tun habe, sehnen sich nicht danach, im Westend zu leben, sie sind gerne hier.“ Sicher gebe es noch Verbesserungsmöglichkeiten: Mehr öffentliche Treffpunkte, Cafés. Vor allem eine gymnasiale Oberstufe fehle, die dem Stadtteil lange versprochen, aber bis heute nicht verwirklicht worden sei.

Im Bezug auf Befürchtungen, das benachbarte neue Europaviertel könne Verdrängungsprozesse auslösen, sagte Dieter von Lüpke vom Stadtplanungsamt Frankfurt, das Gegenteil sei der Fall: Das Europaviertel nehme den Druck aus den Mietpreisen, weil Besserverdienende auf der Suche nach Immobilien dort eine Alternative hätten.

Finanzkrise heizt die Nachfrage an

Langfristig könnte es aber doch zu einer Aufwertung der Region beitragen. Auch die Finanzkrise, die zu sinkenden Einkommen bei den Geringverdienenden führe und andererseits die Nachfrage nach Immobilien zur Vermögensanlage anheizt, wirkt sich negativ auf die Wohnraumverteilung in den begehrten innenstadtnahen Lagen aus.

Maren Harnack, Professorin für Städtebau an der Frankfurter Fachhochschule, warnte denn auch davor, einfach den Kräften des Marktes zu vertrauen. „Es geht um die Frage, wie wir als Gesellschaft mit diesen Prozessen umgehen wollen.“ Eine effektive Stadtplanungspolitik sei möglich, koste aber Geld.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 14. September 2012 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe , .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.