Ein Film wie ein Ausrufezeichen, der beim Zuschauen eine nachdenkliche Stille, ja sogar schockiertes Verstummen hinterlässt: Bei einer Preview diskutierten Fachleute über Michael Hanekes neuen Film „Liebe“.
Filme über das Leben alter Menschen gab es in jüngster Zeit viele. Meist waren es versöhnlich gehaltene Filme, die den Abgrund von Leiden und Sterben vermieden. Dass es auch anders geht, zeigt Filmemacher Michael Haneke (70), bekannt durch sein preisgekröntes Werk „Das weiße Band“. „Liebe“ heißt sein neuer Film, der am 20. September in den Kinos anläuft.
„Es ist einer der überragendensten, ja überraschendsten Liebesfilme, die ich gesehen habe“, sagte Stadtkirchenpfarrer Werner Schneider-Quindeau auf dem 12. Medizinethik-Filmtag. Er hatte zusammen mit Kurt Schmidt vom Zentrum für Ethik in der Medizin diesen in Cannes preisgekrönten Film als Preview ausgewählt. So konnten noch vor dem offiziellen Kinostart am 20. September Ärzte, Pflegekräfte, Seelsorgerinnen und Ehrenamtliche sich einen Eindruck davon verschaffen, wie der Regisseur die Frage nach Liebe und Tod im Alter offenlegt.
Dass „Liebe“ einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt und viele Fragen aufwirft, zeigte die anschließende Diskussion. Nur schade, dass sie dem ausgewählten Fachdiskutanten vorbehalten blieb, was Stimmen aus dem Publikum auch bemängelten.
„Wie George seine Frau Anne aus dem Rollstuhl hebt, mit ihr im Takt mühsam die wenigen Schritte geht, das ist Hingabe pur“, beschreibt Schneider-Quindeau seine Eindrücke. Dabei sei der Blick von Regisseur Haneke immer nüchtern, reduziert auf das Wesentliche, auf eine immer enger werdende Lebensumwelt: Drei Personen, der Mann, die Frau, die Tochter. Die Wohnung mit Küchentisch, Sessel, Bett und die Schnabeltasse.
Zu Anfang ist noch zu sehen, wie Georg (Jean-Louis Trintignant, 81) und Anne (Emmanuelle Riva, 85) zu einem Konzert gehen. Doch dann bricht das Unheil ein. Anne erlebt zwei Schlaganfälle, die sie in eine demente Frau verwandeln. Georg ist an das Versprechen „Kein Krankenhaus“ gebunden, und so lässt Regisseur Haneke das Publikum teilhaben am Kraftakt eines Liebenden.
Quindeau beschreibt das als Balanceakt: „Die Liebe ist so stark wie der Tod“. Kritischer sprach der Philosoph Thomas Metzinger von einer gewissen „Ästhetisierung des Todes“. Doch das ethische Konfliktpotential des Filmes bewegte alle: Wie ist mit dem Sterbewunsch eines dementen Menschen umzugehen? Oder, wie eine Zuhörerin fragte: „Wer geht in einer Grenzsituation voran, wer nimmt wen mit?“