Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

Von – 3. September 2012

„Wohlstand für Alle“

Soziale Marktwirtschaft als Leitbild für Europa

Die Märkte dürfen nicht sich selbst überlassen werden, sondern benötigen einen politischen Ordnungsrahmen – so lautet das Grundprinzip der Sozialen Marktwirtschaft. Heute, wo Regierungen am Gängelband der Finanzbranche zu zappeln scheinen, klingt das fast wie eine hehre Utopie. Ist die Soziale Marktwirtschaft am Ende? Oder ist sie die einzige Chance für die Zukunft Europas? Damit beschäftigte sich eine Tagung in der Evangelischen Stadtakademie am Römerberg.

„Wohlstand für Alle“ betitelte Ludwig Ehrhard 1957 sein Buch über Soziale Marktwirtschaft, als deren politischer Vater er sich sah. Das Modell sei aber ein „genuin protestantisches“, sagte der Sozialethiker Traugott Jähnichen von der Ruhruniversität Bochum bei seinem Vortrag. Die Wurzeln des Prinzips, wonach ein starker und neutraler Staat für soziale Gerechtigkeit sorgt, ohne den freien Wettbewerb zu verhindern, reichten bis auf Martin Luther zurück.

Doch seit den 1980er Jahren werde das Konzept vom Neoliberalismus zunehmend verdrängt, kritisierte Jähnichen. Dabei berge das Muster, das Deutschland nach 1945 den Wirtschaftsaufschwung bescherte, „viele Elemente, die Europa stark machen und dabei helfen können, dass es sich auf dem Globus wie im Wettstreit der Kapitalismen bewährt“.

Angesichts der Schuldenkrise habe jedoch die Lösung akuter Probleme erst einmal Vorrang. Europa brauche eine „nicht unbedingt einheitliche, aber doch abgestimmte Fiskal- und Steuerpolitik“ sowie eine Bankenunion, so Jähnichen, und müsse den Schritt „vom Rettungsschirm zum gemeinsamen Schuldenmanagement“ gehen.

Trotz aller Probleme berichtete die Brüsseler Repräsentantin der Evangelischen Kirche in Deutschland, Oberkirchenrätin Katrin Hatzinger, auch über positive Entwicklungen. Die Juristin, die in zahlreichen EU-Gremien und Kammern mitarbeitet, ist überzeugt, dass „der Begriff auf europäischer Ebene angekommen“ sei. Die Orientierung an der Sozialen Marktwirtschaft sei auch im Vertrag von Lissabon verbrieft.

Gemeinsam mit anderen Konfessionen und Wohlfahrtsverbänden habe das EKD-Büro unter anderem den Wachstumsbegriff hinterfragt, den Einbezug ökologischer Konzepte sowie Maßnahmen zur Armutsbekämpfung verlangt. Dass letztere jetzt auf der Agenda 2020 stehen, dass jeder Mitgliedsstaat einen jährlichen Armutsbericht vorlegen muss und zwanzig Prozent der Sozialfondsgelder in die Armutsbekämpfung fließen, verbucht die Oberkirchenrätin als „tollen Erfolg“.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 3. September 2012 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+