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Von – 28. Oktober 2012

2017: Grund zum Feiern

In fünf Jahren wird das 500. Reformationsjubiläum gefeiert. Gibt es etwas zu feiern? Und geht das auch Menschen im Land an, die nicht eng mit der evangelischen Kirche in Verbindung stehen?

Margot Käßmann ist Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017. Foto: ekd/Lawrenz

Die Stätten der Reformation kennen zu lernen, sich klar zu machen, was die Beteiligten umtrieb, ist Teil des Geschichtsbewusstseins für unser Land. Und Geschichte beheimatet, es ist die gesamtdeutsche Geschichte, deren Spuren wir in Erfurt, Eisleben und Eisenach finden, aber eben auch in Augsburg, Marburg und Worms. So kann das Jubiläum Anlass sein, die gemeinsamen Wurzeln in Ost und West neu zu entdecken.

Feiern können wir, dass Martin Luther mit seinen Überlegungen zum Ablasshandel jener Zeit die Missstände in seiner Kirche hinterfragte. Als er durch sein Studium der Bibel feste Grundüberzeugungen gewonnen hatte, erwuchs daraus der Mut, sich gegen alle weltliche und kirchliche Autorität zu stellen. Ob er diese Worte vor dem Reichstag in Worms gesagt hat, ist umstritten, aber sie stehen für seine Haltung: „Ich stehe hier und kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen.“ Diese Gewissensfreiheit hat sich weiterentwickelt bis zu den bürgerlichen Freiheiten unserer Zeit, bis zu den Grundrechten, den Menschenrechten.

Wir können feiern, dass mit der Reformation eine ungeheure Bildungsbewegung in Gang gesetzt wurde. Luther übersetzte die Bibel in die deutsche Sprache, damit Menschen selbst nachlesen können. Luther wollte, dass jeder Junge und jedes Mädchen lesen und schreiben lernen, er hat die Volksschule angeregt sozusagen. Diesen Gedanken von Bildungsgerechtigkeit können wir feiern.

Wir können feiern, dass aus Spaltung Versöhnung wachsen kann. Es wird das erste Reformationsjubiläum sein nach hundert Jahren ökumenischer Bewegung, die einiges verändert haben. Seit 1973 erkennen sich in Europa Reformierte, Lutheraner und Unierte gegenseitig als Kirchen an, respektieren die jeweiligen Ämter und können miteinander Abendmahl feiern. 1999 wurde in Augsburg eine Erklärung unterzeichnet, dass so wie heute theologisch formuliert wird, für Lutheraner und römische Katholiken die Frage nach der Rechtfertigung allein aus Glauben nicht mehr zu Verwerfungen führt.

Gewiss, es gibt bleibende Unterschiede, und leider ist noch immer nicht in Sicht, dass offiziell miteinander Abendmahl beziehungsweise Eucharistie gefeiert werden kann. Aber die Veränderungen der letzten Jahrzehnte sind doch beachtlich. 2003 gab es ein Versöhnungsdokument zwischen Lutheranern und Mennoniten, den Nachfahren der Täuferbewegung.

Feiern können wir auch, dass Menschen lernfähig sind: So hat Martin Luther einen fatalen Antijudaismus gepredigt, der eine der Ursachen dafür ist, dass Kirchen Menschen jüdischen Glaubens in der Nazi-Zeit nicht geschützt und damit entsetzliche Schuld auf sich geladen haben. Jetzt aber gibt es seit 60 Jahren einen jüdisch-christlichen Dialog. Luther hat auch die Türken als Feindbild an die Wand gemalt, aber heute beginnt ein Dialog zwischen Christen und Muslimen. Luther hat die Taufe als entscheidend angesehen, die Hierarchien abbaut. Heute werden in fast allen evangelischen Kirchen Frauen als Pfarrerinnen und Bischöfinnen anerkannt, nicht als Anpassung an den Zeitgeist, sondern vom Taufverständnis her.

Gleichzeitig zeigt all das, dass ein Jubiläum Gegenwart und Zukunft einbeziehen muss. Die Menschenrechte sind noch immer nicht weltweit durchgesetzt, auch nicht das Recht auf Religionsfreiheit. Geschlechtergerechtigkeit bleibt ein Thema in Staat und Religion, auch in und zwischen den Kirchen. Die Reformatoren haben vor 500 Jahren gewusst, dass die Kirche sich ständig weiter entwickeln muss. So wird das Jubiläum 2017 eine Station auf einem Weg sein, der den Glauben stärkt, den Dialog fördert und die Herausforderungen der Zeit offensiv aufnimmt.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 28. Oktober 2012 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe , .

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Margot Käßmann ist Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017.