Bachs „h-Moll-Messe“ in St. Katharinen auf höchstem Niveau
Als Liebhaber von geistlicher Musik ist man in Frankfurt verwöhnt: Im Januar war in der Katharinenkirche Bachs „h-Moll-Messe“ zu hören. Einige Tage zuvor bereits hatte Michael Graf Münster, Kantor an der Katharinenkirche, einen wissenschaftlich fundierten Einführungsvortrag in das Opus magnum des barocken Übervaters gegeben.
Graf Münster verstand es, in den Tutti-Sätzen die einzelnen Gruppen des Ensembles wohl gegliedert und abgestuft zu führen, etwa Streicherklang ohne Transparenzverlust zu bündeln oder mit Trompeteneinsätzen gezielte Farbtupfer zu streuen; Strukturen großer Verläufe wurden unter seinen Händen übersichtlich und klar. Er hatte auch eine gute Hand bei der Wahl der Musikerinnen und Musiker, konnte sich die Besten leisten, wobei auf diesem Niveau eine derartige harmonische Feinabstimmung keine Selbstverständlichkeit ist. Mit Annika Gerhards, Agnes Kovacs, Verena Gropper und Laurie Reviol hatte er wundervolle Sopransolistinnen, deren Stimmen im „Christe“-Duett perfekt verschmolzen. Daniels Sans und Sören Richter, die Tenöre, agierten schlank und sehr biegsam, etwa in der berühmten „Benedictus“-Arie, stimmlich stets den Anforderungen der Partitur gewachsen.
Nohad Becker und Jörn Peuser, die Altus-Partien energetisch gestaltend, waren im Gesamtklang eine reine Freude, und auch die Bassisten Christos Pelekanos und Philipp Brömsle brachten gestalterische Kraft etwa in die Arie „Et in Spiritum Sanctum“. Für alle weiteren Beteiligten – darunter hervorragende Musiker wie etwa der großartig improvisierende Continuo-Organist Jürgen Banholzer oder die schlichtweg vollkommenen Oboisten des Bach-Collegiums Frankfurt – konnte nur Lob ausgesprochen werden: Sie und der Chor, das Concerto Vocale Frankfurt, lieferten eine sehr objektive h-Moll-Messe.
Dass Barockmusik eine extrem sprachverliebte, hochexpressive Musik ist, die sich den abstrakten theologischen Artikeln des Textes mit jenen Affekten nähert, die auch „weltliche“ Emotionen versinnbildlichen, wurde hier ideal herausgestellt: So sind „Christe eleison“ und „Domine Deus“ glühende Liebesduette zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn, deren Musik womöglich sogar aus weltlichen Kantaten stammt. Und so ist das schon 1733 für Dresden komponierte „Laudamus te“ eine Opernarie im seinerzeit hochaktuellen Stil. Wenn Bach sich nicht zu schade war, Geistliches analog zu Weltlichem in Musik zu setzen, sollten die Interpreten sich ebenso wenig in Askese üben. Was in der Frankfurter Aufführung auch nicht geschah – im Gegenteil. Alle Mitwirkenden zogen voller Elan und Begeisterung an einem Strang. Schade nur, dass die akustischen Bedingen nicht die besten waren. In den hinteren Reihen ging so manches filigrane Detail ein wenig verloren. Insgesamt aber eine großartige Darbietung.