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Von – 10. Februar 2013

Mutiger Widerstand

Die Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus

Den Widerstand der Zeugen Jehovas gegen den Nationalsozialismus würdigte der frühere Weltanschauungsbeauftragte des Bistums Limburg, Lutz Lemhöfer, bei der Mitgliederversammlung der Selbsthilfegruppe SINUS (Sekten-Information und Selbsthilfe) in Frankfurt.

1933 gab es in Deutschland etwa 25 000 Zeugen Jehovas. Keine andere Religionsgemeinschaft habe mit vergleichbarer Unbeugsamkeit dem nationalsozialistischen Anpassungsdruck widerstanden, sagte Lemhöfer. Als einzige Weltanschauungsgemeinschaft bildeten die so genannten „Bibelforscher“ in den Konzentrationslagern eine eigene Häftlingskategorie, gekennzeichnet mit dem „lila Winkel“. Dem totalitären Zugriff des Staates widersetzten sie sich konsequent: Sie verweigerten den Hitlergruß und die Teilnahme an Volksabstimmungen; sie bemühten sich um die illegale Fortsetzung ihrer Versammlungen und um heimliche Missionstätigkeit. Nach Einführung der Wehrpflicht 1935 verweigerten sie den Wehrdienst, was in Friedenszeiten mit ein bis zwei Jahren Haft geahndet wurde; ab Kriegsbeginn 1939 stand darauf die Todesstrafe.

Allein in Deutschland wurden fast zehntausend Anhängerinnen und Anhänger der Glaubensgemeinschaft für eine unterschiedlich lange Dauer inhaftiert. Tausende weiterer Verhaftungen kamen in den besetzten europäischen Staaten hinzu. Die Zahl der Todesopfer unter den deutschen Zeugen Jehovas lag bei 1200.

Exemplarisch berichtete Lemhöfer vom Schicksal des Geigers Willy Hild. Er war seit 1924 im Orchester des Frankfurter Opernhauses beschäftigt. Am 10. November 1933 gab es in der Oper eine Feier zum Gedenken an den Hitlerputsch von 1923. Hild nahm pflichtgemäß daran teil, wurde aber denunziert: Er sei weder beim Singen der Nationalhymne noch des Horst-Wessel-Liedes aufgestanden, und auch den „deutschen Gruß“ habe er nicht mitgemacht. Hild wurde umgehend beurlaubt und bekam in der Oper Hausverbot. Er entschuldigte sich und begründete sein Verhalten mit nervösen Gesundheitsstörungen. Nach Zahlung einer Buße durfte er noch einmal zurückkehren; aber im Mai 1938 wurde er ebenso wie seine Frau wegen illegaler Betätigung für die Zeugen Jehovas von der Gestapo verhaftet und bis zum Kriegsende 1945 ins Konzentrationslager Buchenwald verbracht. Die städtischen Bühnen entließen ihn und sperrten sein Gehalt. 1945 wurde Hild wieder eingestellt, musste aber schon 1946 wegen schwerer gesundheitlicher Schäden seinen Beruf aufgeben.

Problematisch, so Lemhöfer, sei es allerdings, wenn die heutige „Wachtturmgesellschaft“ der Zeugen Jehovas solche Opfer des Nationalsozialismus instrumentalisiere. Wenn zum Beispiel Parallelen zwischen der damaligen Situation und heute gezogen werden, sei das „ein durchsichtiger Versuch, Kritiker mundtot zu machen.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 10. Februar 2013 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Mehr über den Publizisten und Erziehungswissenschaftler ist auf www.eimuth.de zu erfahren.