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Von – 22. April 2013

Walther Kohl: Wie man Frieden mit sich selbst schließen kann

Walther Kohl, der Sohn des Ex-Bundeskanzlers, las in der Dreikönigsgemeinde Sachsenhausen aus seinem Buch „Leben oder gelebt werden“. Darin erzählt er, wie er aus einem persönlichen Tiefpunkt mit Suizidgedanken wieder herausgefunden hat.

Walther Kohl bei seiner Lesung in der Dreikönigsgemeinde in Sachsenhausen. Links Pfarrer Martin Vorländer. Foto: Rolf Oeser

Walther Kohl bei seiner Lesung in der Dreikönigsgemeinde in Sachsenhausen. Links Pfarrer Martin Vorländer. Foto: Rolf Oeser

Vor zehn Jahren stand Walther Kohl am Tiefpunkt seines Lebens: Seine Mutter Hannelore hatte sich umgebracht, seine Ehe scheiterte, und wegen der CDU-Parteispendenaffäre wurde der Sohn von Bundeskanzler Helmut Kohl von vielen geschnitten. Der Druck war so groß, dass er sich ebenfalls selbst töten wollte: Er plante nach Ägypten zu reisen und einen Tauchunfall zu inszenieren.

Das erzählte der Politikersohn an einem Abend im Gemeindezentrum der Dreikönigskirche, in dessen Mittelpunkt das Thema „Versöhnung“ stand. Dabei verzichtete er auf sein Honorar, sodass die Eintrittsgelder der Renovierung des Gemeindezentrums zugute kommen.

Freunde hatten schon den Schlüssel zum Dokumentensafe

Kohl schilderte, wie er zwei Freunden bereits den Schlüssel zum Safe mit den wichtigsten Dokumenten für nach seinem Ableben gegeben hatte, als ihm ein Artikel in die Hände fiel, in dem von Viktor Frankls Buch „Trotzdem Ja zum Leben sagen“ die Rede war. Die Beschäftigung mit dem Werk Frankls, der das Konzentrationslager überlebt und sich als Psychologe mit dem Sinn des Lebens auseinandergesetzt hat, wurde für Kohl zur Initialzündung: In den folgenden zwei Jahren intensiver Lektüre entdeckte der studierte Volkswirt und Historiker sein Lebensthema: Versöhnung und Frieden mit sich selbst.

„Versöhnung ist für mich,  Altes zu wandeln“ sagt er heute. „Und Mittel zum Zweck. Der Zweck ist Lebensfreude.“ Kohl erzählte, wie es ihm nach und nach gelungen ist, mit diesem Thema in die Öffentlichkeit zu treten, und wie ihm das half, zu wachsen: Vom ersten schüchternen Vortrag vor Kollegen über die dreijährige Arbeit an seinem Buch „Leben oder gelebt werden“ und schließlich der Talkshow bei Reinhold Beckmann, die ein Durchbruch war und ihn zu weiteren Vorträgen animierte.

„Im Stadum der Verzweiflung hat man einen Tunnelblick“

Konkret gelinge Versöhnung in fünf Schritten, erklärte Kohl. Zunächst müsse man sich überlegen, welches Anliegen man genau habe. Dann solle man einen Brief an sich selbst schreiben, in dem man alles offenlege, was in diesem Zusammenhang wichtig sei. Der dritte Schritt bestehe darin, die wichtigsten Gefühle und Gedanken herauszufiltern, bis schließlich nur noch ein Wort dastehe. Das könne etwas „Zorn“ sein oder „Ohnmacht“, „Scham“ oder „Einsamkeit“. Bei ihm persönlich sei es „Scham“ gewesen, erzählte Kohl. Er habe sich geschämt, dass die es nicht geschafft habe, seine Mutter vor dem Selbstmord zu bewahren, und er habe sich auch für sie geschämt. Seine „Gegenenergie“ sei gewesen, „es sagen zu können“,  also die Scham offenzulegen. Der vierte Schritt auf dem Weg zur Versöhnung sei eine Art „Friedensvertrag mit sich selbst“ und der fünfte die Antwort auf die Frage: „Was mache ich mit der neuen Freiheit?“

Wie weit Walther Kohl auf seinem Weg zu Versöhnung und innerem Frieden bereits gekommen ist, wurde unter anderem daran deutlich, dass er auch kritische Fragen aus dem Publikum mit großer Gelassenheit beantwortete. Etwa: „Wenn der Selbstmord Ihrer Mutter sie so geschockt hat, warum wollten Sie sich dann selbst töten?“ „Die Frage ist absolut berechtigt“, antwortete Kohl. „Natürlich war das nicht logisch. Aber in so einem  Stadium der Verzweiflung hat man wohl einen Tunnelblick.“

Walther Kohl: Leben oder gelebt werden: Schritte auf dem Weg zur Versöhnung. Integral Verlag. 272 Seiten. 18,99 Euro.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 22. April 2013 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe , .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".