Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

Von – 31. Juli 2013

Täter-Opfer-Ausgleich: Bis zu 95 Prozent der Fälle enden versöhnlich

Staatssekretär Rudolf Kriszeleit besuchte die Vermittlungsstelle „Täter-Opfer-Ausgleich“ im Haus des Jugendrechts Frankfurt-Höchst. Das von der Diakonie Frankfurt betreute Verfahren sei ein wichtiges Element bei der Umgestaltung des Strafrechts und stärke in Gerichtsverfahren die Perspektive der Opfer, sagte Kriszeleit.

Staatssekretär Rudolf Kriszeleit (Mitte) bei seinem Besuch des Täter-Opfer-Ausgleichs. Foto: Nils Sandrisser

Staatssekretär Rudolf Kriszeleit (Mitte) bei seinem Besuch des Täter-Opfer-Ausgleichs. Foto: Nils Sandrisser

Eine Frankfurter Studentenparty, zwei junge Männer, viel Alkohol, ein dummer Spruch. Dann tritt einer zu. Der andere sinkt zu Boden, schwerer verletzt, als der andere auch Wochen später bereit war, anzuerkennen. Jochbeinbruch, Kopfwunden, Augenverletzungen. Im Gerichtsprozess hatte der Staatsanwalt angeregt, eine Lösung im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs zu suchen, den in Frankfurt der Evangelische Regionalverband betreut. Beide Männer stimmten zu. Und saßen sich plötzlich gegenüber.

Birgit Steinhilber, Leiterin der Vermittlungsstellen Täter-Opfer-Ausgleich im Haus des Jugendrechts Höchst, berichtet von dem Fall, als Rudolf Kriszeleit (FDP), Staatssekretär im hessischen Justizministerium, dort zu Gast ist. Das Verfahren des Täter-Opfer-Ausgleichs ist im Strafgesetzbuch niedergeschrieben. „Er ist ein wichtiges Element der Umgestaltung des Strafrechts, um die Opferperspektive stärker in das Gerichtsverfahren einzubeziehen“, sagt Rudolf Kriszeleit. Das Ministerium überweist der Frankfurter Vermittlungsstelle jährlich mehr als 60 000 Euro.

Beide Parteien sollen eine Einigung finden

Seit 1991 gibt es in der Stadt für Jugendliche die Möglichkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs, seit 1996 auch für Erwachsene. Auf Anfrage des Gerichtes oder der Staatsanwaltschaft lädt das Team um Birgit Steinhilber zunächst die Beschuldigten ein, danach werden die Geschädigten angefragt. Ziel ist es, dass beide Parteien eine juristisch verbindliche Einigung unterschreiben und sich eventuell auf Schmerzensgeld verständigen. Häufig werden dann die Gerichtsverfahren eingestellt oder Urteile abgemildert. Eine Wiedergutmachung kann für den Täter die Strafe mildern oder sogar ganz abwenden. Häufig geht es dabei um Raub, Körperverletzung oder Nötigung. Voraussetzung ist, dass die Schuldfrage geklärt ist. Der Vorteil sei, dass Angeklagter und Kläger danach wieder fair miteinander umgehen könnten, sagt Birgit Steinhilber.

Bis zu 95 Prozent der Gespräche enden versöhnlich

Der Erfolg gibt dem Projekt recht: Zwischen 80 und 95 Prozent der Ausgleichsgespräche bei Jugendlichen enden versöhnlich. Bei den Erwachsenen sind es 50 Prozent. Doch trotz der Erfolgsquote landet nur ein Bruchteil aller am Landgericht Frankfurt anhängigen Verfahren bei der Täter-Opfer-Hilfe. 2012 waren es insgesamt 230 Fälle, überwiegend Körperverletzung. Die Teilnahme ist für alle Parteien freiwillig. Niemand könne etwa Geschädigte zwingen, die Täter noch einmal zu treffen, betont Kriszeleit.

Und die zwei Studenten? In diesem Fall, sagt Birgit Steinhilber, habe der Täter-Opfer-Ausgleich wirklich etwas bewirkt. So habe der junge Mann, der zu Boden getreten worden war, dem Täter endlich ausführlich erzählen können, was er erlebt habe nach der Partynacht: „Er hatte wegen seiner Krankenhausaufenthalte ein ganzes Semester verpasst, litt immer noch unter Schmerzen, seine Eltern machten sich große Sorgen.“ Und plötzlich war es, als wäre beim Täter ein Schalter umgelegt worden: „Man konnte in seinem Gesicht sehen, dass er in diesem Moment verstand, was er getan hatte.“ Und die 5000 Euro Schmerzensgeld womöglich mit einem ganz anderen Gefühl bezahlte, als er es sonst getan hätte.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 31. Juli 2013 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe , .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+

Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.