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Aktuell

Von – 7. Februar 2014

Was wir tun können

Das Engagement vieler Menschen für Flüchtlinge zeigt, dass die Zivilgesellschaft weiter ist als die politische Klasse in Deutschland und in der EU, die Europa weiter zur Festung ausbaut.

Anne Lemhöfer ist Mitglied in der Redaktion von Evangelisches Frankfurt.

Anne Lemhöfer ist Mitglied in der Redaktion von Evangelisches Frankfurt.

An der Ecke 26. Straße/Broadway in New York steht ein Mann. Er vermittelt Unterkünfte an Obdachlose. Es ist klar, dass niemand lange dort bleiben kann. Der Mann stammt aus dem Gedicht „Das Nachtlager“ von Bertolt Brecht, es heißt darin: „Die Welt wird dadurch nicht anders. Die Beziehungen zwischen den Menschen bessern sich nicht. Das Zeitalter der Ausbeutung wird dadurch nicht verkürzt. Aber einige Männer haben ein Nachtlager. Der Wind wird von ihnen eine Nacht lang abgehalten. Der ihnen zugedachte Schnee fällt auf die Straße.“

Unter einer Mainbrücke in Frankfurt lebten 22 Männer. Es war Herbst. Die Pfarrerin Sabine Fröhlich und der Pfarrer Ulrich Schaffert luden sie ein, in die Kirche Cantate Domino zu ziehen. Dann öffnete die Gutleutkirche den 22 Afrikanern die Tür für die Wintermonate. Viele Menschen haben Kuchen gebacken und Suppe gekocht. Sie haben Deutschstunden gegeben und Wände gezimmert. Sie taten es, ohne die Lebensgeschichten der Männer im Detail zu kennen, die teils schon Jahre durch Europa zogen und nicht, wie man anfangs den Eindruck hatte, gerade erst auf Lampedusa angekommen waren. Das war richtig. Obdachlosigkeit ist eine Folge von Flucht. Aus welchen Gründen Menschen ihre Heimat verlassen, spielt für ihre Hilfsbedürftigkeit keine Rolle.

Nein, die Welt wird nicht anders, weil wir 22 Menschen ins Warme lassen, denn Tausende andere frieren weiter. Kein Streuselkuchen und kein Sprachunterricht wird am Aufenthaltsstatus dieser 22 Afrikaner viel ändern können. Über die Grundlagen des Asylsystems wird in Berlin und Brüssel entschieden. Diakonisches Handeln und öffentliche Aktionen können nie Politik ersetzen, sie allenfalls aufrütteln, in diesem Fall womöglich die Stadtregierung dazu bewegen, mehr Notunterkünfte bereitzustellen.

Das Engagement zeigt aber, dass die Zivilgesellschaft in Frankfurt weiter ist als die politische Klasse in Deutschland und in der EU, die Europa weiter zur Festung ausbaut. Die Frage, wie wir mit Schwachen umgehen, zu denen auch die Armutsmigranten aus Rumänien und Bulgarien gehören, ist die Frage, in was für einer Stadt, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Die Welt wird keine andere sein im Frühjahr. Doch 22 Menschen haben ein Lager für den Winter. Man hält den Wind von ihnen ab. Es ist das, was wir tun können. Aber auch tun müssen.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 7. Februar 2014 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe , .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.