Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

Von – 11. März 2014

Keine Scheiterhaufen in Frankfurt

Es ist tatsächlich ein „Ruhmesblatt“, das man der Stadt Frankfurt ausstellen kann: Die Zeit der Hexenverfolgungen vom 15. bis 18. Jahrhundert verlief hier am Main relativ glimpflich. Aber warum?

Marianne Rodenstein bei ihrem Vortrag im Frankfurter Spenerhaus. Foto: Antje Schrupp

Marianne Rodenstein bei ihrem Vortrag im Frankfurter Spenerhaus. Foto: Antje Schrupp

Nur zwanzig Prozesse wegen Hexerei wurden zwischen 1441 und 1714 vor dem Rat der Stadt Frankfurt abgehalten, die Opfer waren siebzehn Frauen und drei Männer. In „nur“ vier Fällen wurden die Angeklagten gefoltert. Keine wurde zum Tode verurteilt, schon gar nicht auf dem Scheiterhaufen. Die Prozesse endeten zum Beispiel mit einem Verweis aus der Stadt – was allerdings unter Umständen eine sehr drastische Strafe war, da die Verurteilten aus allen sozialen Bezügen verstoßen wurden – oder mit einem Freispruch.

Die Soziologin und Stadtforscherin Marianne Rodenstein hat untersucht, warum das so war. Warum brannten in Frankfurt keine Scheiterhaufen, so wie zum Beispiel in Köln, Nürnberg oder Leipzig? Oder wie in umliegenden Ortschaften, in Idstein, Dieburg oder Gelnhausen?

Bereits 1932 hatte Wolfgang Eschenröder in einer Doktorarbeit die Frankfurter Hexenprozesse untersucht – zum Glück, denn so sind die Prozessprotokolle noch erhalten, während die Originale 1944 verbrannten. Eschenröder schreibt die Tatsache, dass Frankfurt sich weniger anfällig für den Zeitgeist der Hexenverfolgungen zeigte als andere Kommunen, der liberalen und aufgeklärten Grundhaltung von Stadtregierung und Bürgerschaft zu – das Bild der besonderen Weltoffenheit und Liberalität pflegt Frankfurt ja bis heute.

Beschuldigte blieben auch unter der Folter standhaft

Rodenstein hingegen führt noch andere Aspekte ins Feld. Bei einem Vortrag auf Einladung des Frankfurter Predigerministeriums las sie aus den Protokollen der Prozesse gegen die ersten vier angeklagten Frauen vor. Wie auch andernorts üblich, wurden sie auch in Frankfurt über Monate hinweg gefoltert, um ihnen das Geständnis zu entlocken, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Ein Prozess zog sich sogar über drei Jahre hin.

Doch trotz der in den Protokollen geschilderten Grausamkeiten – zum Beispiel wurden sie mit Steinen an den Zehen aufgehängt – haben die Angeklagten immer wieder ihre Unschuld beteuert. Ohne Geständnis konnten sie aber auch nicht zum Tod verurteilt werden. Sie haben auch nicht, um sich selbst zu entlasten, andere der Hexerei beschuldigt, und auf diese Weise keine „Kettenprozesse“ in Gang gesetzt. Die Standhaftigkeit gerade der ersten Beschuldigten war laut Rodenstein ein wichtiger Faktor dafür, dass aus einzelnen Fällen keine Flächenbrände wurden.

Kein Interesse an Schauprozessen

Andererseits hatte auch der Rat der Stadt der Messen und Kaiserkrönungen kein Interesse an Skandalen und Schauprozessen. Die Angeklagten wurden nicht öffentlich an den Pranger gestellt, Urteile wurden im Gefängnis verlesen, also im kleinen Kreis, und wenn die Beschuldigten der Stadt verwiesen wurden, geschah das ohne öffentliches Spektakel. Auch auf diese Weise wurde die „Ansteckungsgefahr“ klein gehalten. Denn die meisten Hexenprozesse kamen aufgrund von Anschuldigungen aus der Nachbarschaft zustande.

Eine mäßigende Rolle spielte auch die Frankfurter Pfarrerschaft, die den Angeklagten tendenziell eher günstige Gutachten erstellte – das war etwa ein wichtiger Unterschied zu Köln, wo die Hexen-Hysterie auch auf das Wirken eines bestimmten Erzbischofs zurückging.

Keine Rolle hingegen spielte laut Rodenstein eine besonders moderne „Aufgeklärtheit“ der Frankfurter. Dass es Hexerei gibt und dass der Teufel von Menschen Besitz ergreifen kann, haben auch hier die meisten geglaubt. Man war nur eben vorsichtig dabei, dies in einem konkreten Fall zu diagnostizieren. So habe zum Beispiel Philipp Jakob Spener, der von 1666 bis 1686 oberster Pfarrer in Frankfurt war, sich immer gescheut, konkrete Beurteilungen abzugeben, und zwar mit der Begründung, dass es schwer zu entscheiden sei, ob jemand wirklich „vom Teufel besessen“ ist oder nur von Illusionen und Trugbildern geplagt.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 11. März 2014 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe , .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+

Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.