Die Passionszeit zwischen Fasching und Ostern nutzen viele auch zum Fasten. Das bedeutet nicht nur Verzicht, sondern gleichzeitig auch das Entdecken neuer Möglichkeiten. „Sieben Wochen selber denken“ ist in diesem Jahr das Motto der evangelischen Fastenaktion.
„Wie lange fastet Papa noch?“ Diese Frage stellten unsere Kinder in den letzten vierzehn Tagen oft. Denn solange hatte mein Mann tatsächlich gefastet. Und bis auf einen erhöhten Teeverbrauch, ab und an einen Obstsaft und die tägliche Gemüsebrühe, unterblieb die Kalorienzufuhr.
Die Kinder solidarisierten sich, indem heiße Brühe auch in ihrer Beliebtheitsskala nach oben schnellte. Der Grund des Fastens war in seinem Fall, das Körpergewicht auf ein länger zurück liegendes Maß zu verringern. Aber der Nahrungsverzicht hatte darüber hinaus gehende Auswirkungen. Es war auch ein Verzicht auf ein Stück normalen Alltag, gemeinsame Mahlzeiten und lieb gewordene Gewohnheiten wie das abendliche Glas Wein. Zusätzlich war es aber auch ein Gewinn an kurzen Ruhephasen, um neue Kraft zu schöpfen, und an willkommenen Denkpausen, um die Sinne zu klären.
In den Kirchen gibt es zeitlich verortete Fastenzeiten im Kirchenjahr. Es sind die Vorbereitungszeiten auf die großen Feste im christlichen Kalender. Während jedes Kind den Advent als Zeit der Vorfreude auf Weihnachten, das Geburtsfest Jesu, kennt, wird das mit den Wochen vor dem Osterfest schon schwieriger. Im Religionsunterricht haben wir gesammelt, was Fasten heißen kann. Fasten, so wussten die Kinder schnell, heißt: Wir verzichten auf etwas. „Ja, wir verzichten auf Schule“, rief ein besonders gewitztes Kind. „Ich esse keine Schokolade und mein Papa trinkt kein Bier“, versicherte eine andere Schülerin. „Wir machen gar nichts“, bemerkte etwas gelangweilt ein Schüler.
Warum fasten wir überhaupt, fragte ich? Und versuchte, die Frage selbst zu beantworten: Weil wir uns des Lebens und vor allem auch des Leidens Jesu erinnern wollen. Indem wir auf etwas verzichten, machen wir uns bewusst, wie gut wir sonst leben. Und indem wir nicht wie gewohnt zur geliebten Schokoladentafel greifen, essen wir vielleicht eher eine Mandarine. Anders denken tut gut. Das Leben hier und da aus einem anderen Blickwinkel wahrzunehmen und wert zu schätzen, tut gut.
Die evangelische Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ steht in diesem Jahr unter dem Motto „Selber denken“. Das mutet zunächst etwas seltsam an: Müssen wir nicht sowieso jeden Tag selber denken? Aber es ist schon sinnvoll, sich selbst zu prüfen, und das eigene Denken, Reden und Handeln unter die Lupe zu nehmen. „Lasst euch von niemandem verführen“, rät ein biblischer Briefschreiber. Seid skeptisch und wachsam, nicht nur was Werbung betrifft, sondern auch im Hinblick auf gängige Denkweisen und Redefloskeln. Wiegt euch nicht in beruhigenden Gewissheiten, sondern entlarvt sie, wenn sie irreführend und oberflächlich sind. So wirbt die Fastenaktion eigentlich für ein „Sieben Wochen mit“. Sie empfiehlt, mit mehr Aufmerksamkeit die eigenen Gedanken und Wortwechsel in Beruf, Familie und Freundeskreis zu überdenken. Sie macht Mut, Gängiges zu hinterfragen, Eingefahrenes zu ändern und Eigenes zu finden. Das bedeutet auch, sich neu mit anderen zu verständigen.
Gerade in engen Partnerschaften geht man ja oft davon aus, dass der andere doch sowieso weiß, wie man tickt und was man denkt. Wenn sich mein Mann und ich die Türklinke in die Hand geben, weil ich noch zu einem Termin muss und er nach den Kindern schaut, gehe ich eigentlich davon aus, dass klar ist, was noch ansteht. Aber vielleicht ist ihm überhaupt nicht klar, was mir klar zu sein scheint. Deshalb folgen wir nun erstmal dieser Spur: Wir teilen bewusst unsere eigenen Überlegungen mit und verstehen dadurch besser, wie der andere denkt und handelt. Wir denken selber, aber wir handeln gemeinsam. Und was sonst noch verdeckt und versteckt ist, kommt hoffentlich zu Ostern ans Licht.
Übrigens hat das Fasten meines Mannes auch unseren Umgang in der Familie „entschlackt“. Und wir anderen sind angesteckt: Jeder wird in den Wochen vor Ostern auf etwas verzichten, und zusätzlich mit einem neuen Gedanken einen Freund oder sogar Mama oder Papa überraschen.