Ein ehrenamtliches Team von Online-Seelsorgerinnen und -Seelsorgern berät in der Jugendkulturkirche Sankt Peter Jugendliche auch bei schweren Problemen – und ist stark nachgefragt.
Die laute Bleichstraße vor der Tür, eine Oase inmitten der Großstadt dahinter. Dass ihre E-Mails in einem unscheinbaren Büro im ersten Stock der Jugendkulturkirche Sankt Peter ankommen, wissen viele gar nicht, die sich in ihrer Not ans Online-Portal von Pfarrer Rasmus Bertram und seinem Team wenden. Über Suchmaschinenanfragen finden junge Menschen aus ganz Deutschland und sogar Austauschschüler aus dem Ausland den virtuellen Weg nach Frankfurt.
Kann Seelsorge über das Internet überhaupt funktionieren?
Seelsorge übers Internet? Kann das funktionieren? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Muss man sich nicht in die Augen sehen, wenigstens die Stimme des anderen hören können, wenn man ein so komplexes Problem besprechen möchte, das einen externen Helfer, eine externe Helferin notwendig macht?
„Nein“, glaubt Pfarrer Bertram. „Die Online-Seelsorge füllt eine ganz eigene Rolle inmitten anderer Angebote aus. Sie ist nicht als Konkurrenz zu anderen kirchlichen Beratungsangeboten gedacht. Und sie wird sehr, sehr gut angenommen.“ Das habe alle Beteiligten überrascht, als das Angebot vor vier Jahren erstmals ans Netz ging.
Ratsuchende genießen absolute Anonymität
Noch viel mehr habe ihn allerdings die Offenheit der Ratsuchenden, die unter erfundenen so genannten „Nicknames“ schreiben, verwundert und berührt: „Die Ehrlichkeit der Schreibenden, die sich im Internet absoluter Anonymität sicher sein können, ist selbst bei schweren Problemen sehr groß, was erst einmal ungewohnt ist – viel größer, als es in persönlichen Gesprächen oft der Fall ist, wo man doch häufig nochmal alles relativiert, um nicht das Gesicht zu verlieren.“
Das Seelsorgeteam aus jungen Menschen zwischen 17 und 24 Jahren garantiert eine Antwort innerhalb von 24 Stunden, sofern die Anfrage an einem Werktag gestellt wurde. Danach ist eine E-Mail-Beratung im Wochenrhythmus üblich, im Durchschnitt dauert eine Begleitung etwa sechs Wochen. „Es ist selten, dass ein Kontakt einfach abbricht“, sagt Bertram. Die Bandbreite der Fälle ist groß. Sie reicht von Problemen mit den Eltern und Liebeskummer über Selbstverletzung und Essstörungen bis hin zu Suizidgedanken. Achtzig Prozent der Ratsuchenden sind Mädchen und junge Frauen, und auch die Online-Seelsorgerinnen sind überwiegend weiblich. Sie gehen ihrer Aufgabe ehrenamtlich und neben Ausbildung, Beruf oder Studium nach.
Ein Computer mit extra Sicherheitsprogramm
Trifft eine E-Mail ein, ruft Bertram zunächst die für ein Problem am besten geeignete Ansprechpartnerin an. Die macht sich dann so schnell wie möglich auf den Weg in die Jugendkirche – denn dort steht ein Computer, für den extra ein eigenes Sicherheitsprogramm erstellt wurde. „Es berücksichtigt alle Anforderungen des Beichtgeheimnisses. So deckt es zum Beispiel automatisch die geöffnete Seite zu, wenn die Ratsuchenden eine Minute lang nicht getippt haben“, erklärt der Pfarrer. „Dadurch stellt es sicher, dass etwa kein Elternteil mal eben auf den Bildschirm im Jugendzimmer schauen kann, wenn das Kind kurz mal weg ist.“
Wenn junge Menschen andere junge Menschen seelsorgerlich beraten, ist die Distanz geringer als gegenüber einem Erwachsenen. Trotzdem ist es Rasmus Bertram wichtig, dass die jungen Seelsorgerinnen und Seelsorger nicht mit den Problemen allein gelassen werden: Bei Suiziddrohungen etwa ist sein Rat unbedingt erforderlich. Wie Seelsorge generell ist das Angebot auch kein Ersatz für eine Therapie: „Unser Schwerpunkt liegt auf der persönlichen Begleitung. Wir spenden Hoffnung, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt, schauen zusammen nach den Möglichkeiten und geben Mut für den ersten und zweiten Schritt. Meistens reicht das schon. Wo mehr nötig ist, versuchen wir, die Jugendlichen davon zu überzeugen, sich in Beratungsstellen professionelle Hilfe zu holen.“
40-stündiger Lehrgang und Supervision
Vor ihrem ersten Einsatz nehmen die Ehrenamtlichen an einem 40-stündigen Lehrgang teil. Auch zwischendurch tauschen sie sich in einer Supervisions-Runde über Fälle aus, die sie besonders berührt haben. Dritte einzuschalten schließt Bertram aber kategorisch aus – schon aus technischen Gründen sei es unmöglich, Rückschlüsse auf die Identität der Person, die ein Problem hat, zu ziehen. „Und das ist auch gut so.“ 174 Mails sind im Jahr 2013 bei der Online-Seelsorge von Sankt Peter eingegangen, in den ersten zwei Monaten diesen Jahres waren es schon 50. „Das zeigt, wie groß der Bedarf für eine Seelsorge übers Internet ist.“ Kontakt: www.sanktpeter.com.