Hinweis

Diese Website wurde am 28. November 2017 archiviert. Neues Online-Angebot: Evangelische Kirche in Frankfurt.

Aktuell

Von – 19. Mai 2014

Zweieinhalb Jahre Protest gegen Fluglärm

Pfarrerin Silke Alves-Christe aus Sachsenhausen ist so gut wie jeden Montag zum Protestieren am Flughafen. „Die Woche ist so schwer zu ertragen, dass ich ein Ventil brauche, damit ich es rauslassen kann“, sagt sie. So wie ihr geht es vielen.

Pfarrerin Silke Alves-Christe auf dem Turm der Bergkirche in Sachsenhausen. Seit über zwei Jahren macht dort ein Banner auf den Fluglärm aufmerksam. Foto: Regina Busch

Pfarrerin Silke Alves-Christe auf dem Turm der Bergkirche in Sachsenhausen. Seit über zwei Jahren macht dort ein Banner auf den Fluglärm aufmerksam. Foto: Regina Busch

Alle paar Minuten donnert ein Flugzeug über die Bergkirche hinweg. Pfarrerin Silke Alves-Christe von der Dreikönigsgemeinde in Sachsenhausen hält inne, bis das Dröhnen wieder leiser wird. Besonders schrecklich sei es bei Beerdigungen, wenn ihre Segensworte am Grab vom Lärm übertönt werden, berichtet Alves-Christe. Jedes Mal stehe sie vor der Entscheidung: Das Flugzeug abwarten oder den Satz unterbrechen? Das versetzt sie in Anspannung.

„Die Trauernden sollten einen Friedhof der Ruhe haben“, findet die Pfarrerin. Sie will sich nicht damit abfinden, dass sich alles dem Takt der Flugzeuge unterordnen muss. Der Krach ist für sie schwer zu ertragen. Deshalb lässt Alves-Christe nach Möglichkeit keine Montagsdemo am Frankfurter Flughafen aus.

Selbstgebasteltes Plakat an einer Gardinenstange

Einmal war zwar ihr Fuß gebrochen, ab und zu ist sie im Urlaub. Doch generell gilt: „Das ist ein ganz fester Termin in meinem Wochenplan“, betont die Pfarrerin. Jeden Montag schnappt sie sich die Gardinenstange, an der ihr selbst gebasteltes Plakat befestigt ist, und fährt zum Terminal 1.

Heute findet dort die 100. Montagsdemonstration gegen Fluglärm statt. Das Bündnis der Bürgerinitiativen ist selbst überrascht, dass der Protest so lange anhält. „Es zeigt, welche Dimension die Belastung in der Region erreicht hat“, sagt Bündnissprecher Thomas Scheffler. Nach der Eröffnung der neuen Nordwestlandebahn am 21. Oktober 2011 hätten die Betroffenen ein Ventil gebraucht, um ihren Protest auszudrücken. Durch die Verschiebung der Flugrouten seien plötzlich Regionen vom Fluglärm betroffen, die das so bisher nicht gekannt hätten. „Wir sind überrannt worden“, berichtet der Sprecher.

Immer wieder kommen neue Themen auf

Damals kam die Idee auf, dort zu demonstrieren, woher der Lärm kommt. Seither treffen sich die Demonstranten – außer in den Ferien – jeden Montag mit ihren Trillerpfeifen und Plakaten am Flughafen. „Wir haben uns dort festgesetzt“, betont Scheffler. Der harte Kern besteht seinen Angaben zufolge aus etwa tausend Teilnehmern und Teilnehmerinnen. Für den Bündnissprecher steht fest: So lange sich an der Lärmbelastung nichts grundlegend ändert, gehen die Proteste weiter. Zumal immer wieder neue Themen aufkommen.

Derzeit sorgen vor allem die Pläne für den Neubau von Terminal 3 für Unmut. Dadurch würden sich die Kapazitäten des Flughafens drastisch erhöhen, fürchtet Scheffler. Eine wichtige Forderung der Bewegung lautet, die Zahl der Flugbewegungen auf 380.000 pro Jahr zu begrenzen. Auch die im schwarz-grünen Koalitionsvertrag angekündigte Lärmpause erhitzt momentan die Gemüter.

Leben aus dem Rhythmus gebracht

Bei der hauptsächliche Nutzung nur einer Landebahn in den Randstunden des Flugverbots handele es sich lediglich um eine Lärmverschiebung zwischen den Regionen, kritisiert der Ausbaugegner. „Das ist ein Placebo, um die Leute zu verdummen. Darüber sind wir sehr verstimmt.“ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Montagsdemos seien sehr enttäuscht, dass selbst der Regierungswechsel in Hessen von Schwarz-Gelb zu Schwarz-Grün überhaupt nichts verändert habe.

Auch die Pfarrerin aus Sachsenhausen beklagt eine Ignoranz der Politiker. Sie verstehe nicht, wie man den Bewohnern diesen Lärm zumuten könne. „So kann man doch nicht mit Menschen umgehen“, klagt Alves-Christe. Die Eröffnung der neuen Landebahn habe ihr Leben total verändert. Der Krach der Flugzeuge zwinge ihr einen völlig unnatürlichen Rhythmus auf. Sie könne sich nur schwer konzentrieren, werde ständig aus ihren Gedanken herausgerissen. Das störe vor allem beim Predigtschreiben, berichtet die Pfarrerin. Und auch der mangelnde Schlaf mache ihr sehr zu schaffen. Es sei nie möglich, vor 23 Uhr ins Bett zu gehen. Erst dann beginnt das Nachtflugverbot am Flughafen.

„Bis die Politiker ein Einsehen haben“

Der Protest gegen den Krach gehört für Alves-Christe ganz selbstverständlich zu jeder Woche. Für die Treffen der Ausbaugegner in Sachsenhausen öffnet die Pfarrerin die Bergkirche, am Kirchturm prangt ein riesiges Transparent, und in Gottesdiensten betet sie regelmäßig für die lärmgeplagten Menschen in der Region. Und jeden Montag steigt sie in den Bus zur Demo im Terminal 1. „Die Woche ist so schwer zu ertragen, dass ich ein Ventil brauche, damit ich es rauslassen kann.“ Alves-Christe ist überzeugt: „Der Protest wird ewig weitergehen, bis die Politiker ein Einsehen haben.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 19. Mai 2014 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

Artikel teilen: E-Mail Facebook Twitter Google+