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Von – 12. Juli 2014

Irritation in der Halbzeitpause

Wenn kirchliche Sprachgewohnheiten und heutige Alltagskultur unverhofft aufeinander treffen, wie bei dem „Wort zum Sonntag“ in der Halbzeitpause eines WM-Fußballspiels, kann das für Irritationen sorgen.

Feierten im Januar das 60. Jubiläum vom „Wort zum Sonntag“: der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, sowie der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch (von links nach rechts). Foto: Maja Hitij / dpa

Feierten im Januar das 60. Jubiläum vom „Wort zum Sonntag“: der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, sowie der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch (von links nach rechts). Foto: Maja Hitij / dpa

„Halt, warten Sie bitte noch einen Moment, bevor Sie gleich das Bier holen für die zweite Halbzeit. Die Fußballspieler in Manaus, die hören ja schließlich auch gerade die Kabinenpredigt von ihren Trainern und werden ins Gebet genommen! Und für Sie gibt es hier das Wort zum Sonntag!“ So begann Verena Maria Kitz ihre Sendung – und gut sechs Millionen Fußballfans hatten in der Halbzeitpause eingeschaltet.

Doch als die Pastoralreferentin aus Frankfurt dann fortfuhr: „Also ich, ich bekomme am Anfang der zweiten Halbzeit immer erst mal einen Schreck. Und denke: Huch, die spielen ja aufs falsche Tor“, hagelte es Hohn und Spott in den sozialen Medien. Kitz wollte zum Perspektivenwechsel, zum Seitenwechsel aufrufen, doch die Fußballnation lachte über die Metapher. Kitz steht trotz aller Kritik zu ihrem Inhalt und erklärte später: „Auch wenn wir feiern und Fußball schauen, dürfen wir die Menschen in Brasilien nicht vergessen, in den Favelas und auf den Kaffeeplantagen! Ich will anregen, dass wir uns in sie hineinversetzen, so sehr das auch erschrecken kann.“

Für Aufregung sorgt das Wort zum Sonntag ansonsten eigentlich selten. Die Sendung ist ein Dauerbrenner, nach der Tagesschau das zweitälteste Format. Seit gut sechzig Jahren wird es ausgestrahlt, die erste Folge lief am 8. Mai 1954. Und bis zum heutigen Tag ist es noch nie ausgefallen: 3100 „Wort“-Sendungen sind inzwischen gesprochen worden, darunter eines von Papst Johannes Paul II. im April 1987 und eines von Papst Benedikt XVI. im September 2011.

In Erinnerung blieben vor allem die Sendungen, die auf aktuelle Ereignisse eingingen. So ließ der evangelische Pfarrer Jörg Zink nach der Flugzeugentführung in Mogadischu am 15. Oktober 1977 seinen geplanten Text kurzerhand fallen und formulierte einen neuen Text direkt im Studio. Und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Bischof Martin Kruse, sprach am 11. November 1989 zum Fall der Berliner Mauer.

Doch das „Wort zum Sonntag“ ist kein politischer Kommentar, sondern eine so genannte „Verkündigungssendung“. Es geht darum, geistliche Impulse und religiöse Anstöße zu geben, nicht um Mission. Die Sendung will ein niedrigschwelliger Berührungspunkt zwischen christlicher Botschaft und den Menschen sein.

In einem jedenfalls hat Verena Maria Kitz Recht: Auch das Fernsehen braucht gelegentlich einen Seitenwechsel. Das Wort zum Sonntag heißt: Vier Minuten keine Action, einfach einem Menschen zuhören – allein das klingt schon anachronistisch. Es ist aber auch eine Chance.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 12. Juli 2014 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Mehr über den Publizisten und Erziehungswissenschaftler ist auf www.eimuth.de zu erfahren.