„Stadt Machen“ war das Thema eines Fachtages in der Evangelischen Akademie am Römerberg. Fachleute und Interessierte disktutierten einen Tag lang über „Aneignungsstrategien im öffentlichen Raum“, also darüber, wie verschiedene Menschen sich auf Straßen und Plätzen bewegen und damit das Stadtbild prägen.
„Jeder, der im öffentlichen Raum verkehrt, hat bestimmte Interessen und versucht, sie durchzusetzen oder zumindest das für sich herauszuholen, was ihm dienlich ist“, sagte Studienleiter Christian Kaufmann. Straßen und Plätze seien trotz Internet noch immer das wesentliche Feld für politische Partizipation, zum Beispiel bei Demonstrationen. Andererseits könne man in der Öffentlichkeit gerade auch untertauchen oder unentdeckt bleiben.
Bei der Frage, wer den öffentlichen Raum wie nutzt, kommt es häufig zu Konflikten. So mussten kürzlich am Frankfurter Berg Parkbänke abgebaut werden, weil Anwohnerinnen und Anwohner sich von lauten Jugendlichen gestört fühlten, wie die Frankfurter Rundschau berichtete. Stadtevents wie der Frankfurt-Marathon oder Straßenfeste hingegen sind von der Stadt Frankfurt ausdrücklich gewünscht. Auf der Zeil hätten jedoch die gastronomischen „Klötze“ in der Mitte die Passantinnen und Passanten inzwischen an den Rand gedrängt, kritisierte Kaufmann.
Urban Gardening für lebendige Nachbarschaften
Es gibt aber auch immer mehr private Aktionen wie das „Urban Gardening“ – zum Beispiel am Ostbahnhof – die Alternativen zu den Teer- und Steinwüsten bieten, wie sie etwa an der Konstablerwache oder am Goetheplatz vorzufinden sind. Die Menschen erobern sich so „ihre“ Straße, legen Hochgärten an, pflanzen Gemüse und Kräuter und kümmern sich um Pflege und Instandhaltung „ihres“ Platzes. Neben dem Aspekt einer verbesserten Nachbarschaft würde durch solche „Aneignungsstrategien“ der öffentliche Raum erlebbarer. Kinder zum Beispiel nehmen den Garten vor ihrer Haustür als willkommene Erweiterung ihres Wohn- und Spielzimmers wahr.
Besonders wichtig ist der öffentliche Raum für Jugendliche, die noch keine eigene Wohnung haben. Da prallen oft verschiedene Interessen aufeinander, wer welche Orte wie nutzen oder „besetzen“ kann, sagte Matthias Rohrer mit Erkenntnissen aus einer Jugendstudie: „Gewinnen wird die Gruppe, die die größere Unterstützergruppe hat“.
Shopping-Center simulieren Öffentlichkeit nur
Dass immer mehr privatwirtschaftliche Räume entstehen, die nur so aussehen wie öffentlicher Raum, darauf wies die Kulturanthropologin Gisela Welz hin, zum Beispiel in großen Einkaufszentren – hier machen die Eigentümer die Regeln.
Andersherum kommt es auch vor, dass Räume, die in Privatbesitz sind, zweckentfremdet werden: So haben sich Menschen aus Osteuropa in ungenutzten Garagen auf dem Gelände eines ehemaligen Autohauses wohnlich eingerichtet, berichtete Peter Hovermann vom Frankfurter Verein für soziale Heimstätten. Rechtlich sei ihnen schwer beizukommen, da eine Heimat-Adresse für ein Widerspruchsschreiben vom Eigentümer des Geländes kaum zu ermitteln sei.
Hundert Menschen in Frankfurt leben ganzjährig im Freien
Rund hundert Menschen schließlich leben in Frankfurt ganzjährig im Freien, Tag wie Nacht. Für sie betreibt die Stadt Frankfurt einen Kältebus, der ihre bekannten Aufenthaltsorte anfährt und die Obdachlosen mit Kleidung oder Schlafsack versorgt. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter kümmern sich darum kümmert, dass diese Menschen an ihren zumeist selbst gewählten Orten einigermaßen geschützt und sicher schlafen können. In der B-Ebene der Hauptwache wiederum finden Menschen in den kalten Monaten Zuflucht, die sich keinen festen Wohnsitz leisten können, aber dennoch eine „gesellschaftliche Struktur“ haben wollen. Oft gesellen sich auch Durchreisende dazu, die sich kein Hotel leisten wollen.