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Von – 23. Januar 2015

Nur Sekten sind humorlos

Wirklich gute Witze gehen nicht auf Kosten anderer, sondern nehmen sich auf feine Art selbst „auf die Schippe“. Das gilt gerade auch für die Kirche. Nur Sekten sind humorlos.

Es ist gar nicht so leicht, andere zum Lachen zu bringen. Hier Pfarrerin und Clownin Gisela Mattiae bei einem Workshop in der Evangelischen Akademie Frankfurt. Foto: Ilona Surrey

Es ist gar nicht so leicht, andere zum Lachen zu bringen. Hier Pfarrerin und Clownin Gisela Mattiae bei einem Workshop in der Evangelischen Akademie Frankfurt. Foto: Ilona Surrey

„Eine alte Frau kommt nach dem Gottesdienst aus der Kirche. Sie schaut zur Turmuhr und sagt vor sich hin: Jetzt kann ich wieder laufen, jetzt kann ich wieder laufen. Der Pfarrer hört das und fragt: Sagen Sie, gute Frau, haben Sie gerade ein Wunder erlebt? Seien Sie froh und dankbar, dass Sie wieder laufen können! Nein, antwortet die Frau, ich habe kein Wunder erlebt. Wegen Ihrer langen Predigt habe ich den Bus verpasst, und jetzt kann ich wieder nach Hause laufen!“

Das ist ein typischer Witz, wie er gerne in kirchlichen Kreisen erzählt wird;  besonders unter Pfarrerinnen und Pfarrern. Im Kern überspitzten Witze Entwicklungen und machen Tendenzen sichtbar.

„Ein Pfarrer ärgert sich, dass so viele Leute zu spät zum Gottesdienst kommen und bringt an der Kirchtür ein Schild an: Wer zu spät kommt, stört! Am nächsten Sonntag muss er lesen, was jemand heimlich hinzugefügt hat: Aber er kommt!“

Die eigenen Gewissheiten in Frage stellen

Gute Witze gehen nicht auf Kosten anderer, sondern nehmen sich auf feine Art „selbst auf die Schippe“. Über sich selbst lachen zu können zeigt die Bereitschaft, auch mal eine andere Perspektive zu wählen als die eigene. Das ist eine Fähigkeit, die man in sektiererischen Gruppen nicht findet. Dass sie ihrer eigenen Organisation oder Dogmatik nicht mit Humor begegnen können, ist ein Kennzeichen von Sekten. Denn witzige Selbstironie ist immer auch eine Form, sich selbst und die eigenen Gewissheiten in Frage zu stellen. In Sekten dürfen Selbstzweifel aber nicht aufkommen.

Zum christlichen Glauben gehört der Zweifel aber ebenso dazu wie der Humor. Humor ist ja auch nicht die schlechteste Art, mit den Unzulänglichkeiten der Welt fertigzuwerden. Dabei geht es nicht darum, religiöse Gefühle von Gläubigen zu verletzen. Es gibt moralische und ethische Grenzen für Witzeleien. Schon Goethe schrieb: „Erlaubt ist, was sich ziemt“.

Religion muss Satire aushalten

Satire hingegen nimmt, wenn sie von außen auf eine Religionsgemeinschaft blickt, kaum Rücksicht auf die Gefühle der Gläubigen – frei nach dem Tucholsky-Motto: „Satire darf alles.“ Und das müssen Religionsgemeinschaften auch aushalten. Grenzen und Regeln, die eine Glaubensgemeinschaft sich selbst gibt, kann sie nicht Außenstehenden vorschreiben. Die Meinungsfreiheit ist in freiheitlichen Demokratien ein sehr hohes Gut. Schließlich war es auch die Erfahrung der Diktatur, die den Satz „Zensur findet nicht statt“ ins Grundgesetz brachte.

Kurz lässt es sich so auf den Punkt bringen: Die Kirche braucht Humor, die Gesellschaft braucht Satire. Beides sind Formen einer geistigen Auseinandersetzung mit wichtigen Themen, des öffentlichen Diskurses. Und beides trägt zur Meinungsbildung bei.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 23. Januar 2015 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe , .

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Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Mehr über den Publizisten und Erziehungswissenschaftler ist auf www.eimuth.de zu erfahren.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Anonym schrieb am 25. Januar 2015

    Warum es unterschiedliche Maßstäbe und Grenzen für „Witzeleien“ auf der einen, und Satire auf der anderen Seite geben solle, ist für mich in keinster Weise verständlich. Auch das Grundgesetz kennt solch eine Unterscheidung nicht.

    Auch wenn nahezu jede Meinungsäußerung insbesondere in Form von Satire durch Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt ist, vermisst man zurzeit jegliche kluge und objektive Auseinandersetzung mit der Frage, ob man mit zutiefst provokanten und geschmacklosen Karikaturen wirklich etwas gutes in der Gesellschaft bewirkt.

    Das bedeutet nicht, dass wir uns aus Angst vor Gegenreaktionen oder gar Terrorismus alles verbieten lassen sollten, sondern uns vielmehr fragen, wie wie wirklich, abseits von lächerlichen Lippenbekentnissen, aktiv zu einem friedlichem Miteinander unterschiedlicher Kulturen und Religionen beitragen können.