Lesenswert: Die FAZ-Journalisten Peter Lückemeier und Werner D’Inka haben ein langes Interview mit Dieter Graumann zwischen Buchdeckel gepackt – das Portrait eines Mannes, der spannend und reflektiert ein Stück Zeitgeschichte erzählt.
Dieter Graumann, der ehemalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden, ist ein in Israel geborener Frankfurter – aufgewachsen im Westend. Seine Eltern hatten die Konzentrationslager überlebt. „Ich bin mit Geschichten aus den Lagern groß geworden wie andere mit Grimms Märchen“, sagt Graumann. Eigentlich hieß der Junge David, doch seine Eltern benannten ihn aus Angst vor Antisemitismus um: Aus David wurde Dieter. „Das war schon ein heftiger Augenblick für mich.“
Egal, ob es um Konflikte mit Martin Walser und Jakob Augstein, die Beschneidungsdebatte oder die Auseinandersetzung um ein Fassbinder-Stück im Schauspielhaus geht: Graumann argumentiert stets sachlich und aus der Perspektive eines Mannes, der nach vorne schaut.
Als fußballbegeisterter Frankfurter Bub war Dieter Graumann natürlich Fan der Eintracht. Später war er Vorsitzender des jüdischen Fußballvereins Makkabi Frankfurt. Als im Jahr 2000 die Kinder und Jugendlichen des Vereins von den Zuschauerrängen regelmäßig mit antisemitischen Sprüchen beschimpft wurden, fand er zunächst beim DFB kein Gehör. Erst als er sich schließlich an die Presse wandte, bewegte sich etwas. Heute sei der DFB da „deutlich sensibler“.
Die eine, entscheidende Frage kann Graumann sich bis heute freilich nicht beantworten: Wie konnte Gott Auschwitz zulassen? Auch darüber spricht er ausführlich in dem Buch. Und schließlich kommt zur Sprache, welche Aufgaben sich heute für die Frankfurter Jüdische Gemeinde stellen: „Neunzig Prozent unserer Mitglieder sind in den letzten 25 Jahren aus der ehemaligen Sowjetunion gekommen! Das ist doch bemerkenswert!“
Ein kurzweiliges Gespräch mit einer beeindruckenden Persönlichkeit.
Werner D’Inka, Peter Lückemeier: „Ab heute heißt du Dieter!“, Kösel-Verlag, 160 Seiten, 16,99 Euro.