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Aktuell

Von – 27. März 2015

Kein Debattierclub

Am 26. April wählen die Kirchengemeinden in Hessen und Nassau neue Kirchenvorstände. Wie sieht die Arbeit in so einem Gremium eigentlich aus? Ein Protokoll aus der Gemeinde Fechenheim.

Hier wird über alle Gemeindeangelegenheiten entschieden: Kirchenvorstandssitzung in der Festeburggemeinde in Preungesheim. Die Gemeinden vor Ort bilden in der evangelischen Kirche die Basis aller Entscheidungsprozesse. Foto: Rolf Oeser

Hier wird über alle Gemeindeangelegenheiten entschieden: Kirchenvorstandssitzung in der Festeburggemeinde in Preungesheim. Die Gemeinden vor Ort bilden in der evangelischen Kirche die Basis aller Entscheidungsprozesse. Foto: Rolf Oeser

Kirchenvorstandssitzung in Fechenheim: Ein Großteil der Tagesordnung betrifft das innerbetriebliche Management der Gemeinde. Mit bald hundert Hauptamtlichen und über hundert Ehrenamtlichen kommt sie einem mittelständischen Unternehmen gleich. Daneben gilt es, vor dem Hintergrund starker Strukturveränderungen im Stadtteil das Profil der Gemeinde und das passende Angebot weiter zu entwickeln.

Für Hunderte von Gottesdiensten und Veranstaltungen im Jahr trägt der Kirchenvorstand die Gesamtverantwortung, ebenso für Kirchenmusik und geistliches Leben, für Seelsorge und religiöse Bildung, für Diakonie und gesellschaftliche Verantwortung, für Ökumene und interreligiösen Dialog – ganz zu schweigen davon, dass er natürlich auch für die Darstellung der Gemeinde in der Öffentlichkeit zuständig ist.

Gemeindeleitung kann vor diesem Hintergrund kein Debattierclub sein. Sie funktioniert nur im Team, erfordert ein gemeinsames Ziel und setzt voraus, dass die unterschiedlichen Talente und Sichtweisen der einzelnen Kirchenvorstandsmitglieder sinnvoll gebündelt und Entscheidungen gemeinsam getragen werden.

Auch seelische Belastbarkeit ist wichtig, denn bei der Steuerung der drei Kindertagesstätten geht es mitunter ans Eingemachte. Im Fechenheimer Kirchenvorstand finden sich differenzierte Fachkenntnisse, und im Lauf der sechsjährigen Amtsperiode ist ein gesundes Selbstbewusstsein gewachsen; so schnell wird der Gemeindeleitung nicht bange. Ärgerlich werden die zwölf Ehrenamtlichen aber, wenn bürokratische Hemmnisse auftauchen oder die übergemeindliche Kirchenverwaltung als unkooperativ wahrgenommen wird. Große Herausforderungen von außen sorgen weniger für Frusterfahrung als innerkirchliche Querschläger.

Wer kompetent entscheiden soll, muss umfassend informiert sein. Darum erhalten alle Mitglieder des Kirchenvorstandas vor jeder Sitzung ein umfangreiches schriftliches Briefing zu den anstehenden Beschlüssen: Hintergrundinformationen über Veranstaltungen zu aktuellen Baumaßnahmen und Liegenschaftsangelegenheiten, zu Verwaltungs- und Finanzfragen. Dazu kommen schriftliche Berichte von den Treffen der Ausschüsse – der Personalausschuss ist der größte – und zu den Angelegenheiten der Kindertagesstätten. Die Ehrenamtlichen können so den Überblick über eine unüberschaubare Zahl an Vorgängen behalten, und in den Sitzungen bleibt Raum, schwierige Personalentscheidungen oder Grundsatzfragen zu bereden. Wenig Zeit bleibt hingegen für Persönliches. Man spürt die Professionalisierung.

Bei drei Stunden Sitzungszeit, vielen abzuarbeitenden Punkten und komplexer Materie muss ökonomisch moderiert werden, denn die Zeit der Ehrenamtlichen ist kostbar. Die meisten sind zusätzlich in Ausschüssen tätig oder haben eigene Verantwortungsbereiche, zum Beispiel in der Gemeindebriefredaktion, im Küsterdienst oder bei Veranstaltungen. Fast alle gehen einem Brotberuf nach, ganz abgesehen davon, dass zu Hause eine Familie wartet. Was in zwei Gemeinden früher von weit über zwanzig Leuten zu leisten war, dafür gibt es nach der Fusion nur noch vierzehn. So hohe Ansprüche machen auch die Suche nach Kandidaten und Kandidatinnen schwierig.

Auf der Tagesordnung steht diesmal auch der Pfarrdienst. In spätestens vier Jahren fällt eine der beiden Pfarrstellen weg. Bis dahin muss die weitere Handlungsfähigkeit der Gemeinde sichergestellt sein. Auch das ist eine Aufgabe des Kirchenvorstandes. Ein stilles Seufzen, dann ist klar: Die Ehrenamtlichen wollen die Sache aktiv angehen, um eigene Vorstellungen zu entwickeln, statt nur zu reagieren. Eine Klausur an einem Samstagvormittag wird vereinbart.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 27. März 2015 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe , .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.