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Von – 11. März 2015

Von Europa nach Europa

Die „Sozialpolitische Offensive“ aus Kirchen und Gewerkschaften hat eine Studie zur Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien nach Frankfurt erstellen lassen. Die Ergebnisse wurden am Dienstag in der Weißfrauen Diakoniekirche vorgestellt und Forderungen an die Stadtpolitik formuliert.

Diskussion zur Zuwanderung aus Osteuropa nach Frankfurt mit Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld (2.v.r.). Foto: Antje Schrupp

Diskussion zur Zuwanderung aus Osteuropa nach Frankfurt mit Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld (2.v.r.). Foto: Antje Schrupp

Seit der Einbindung von Mittel- und Osteuropa in die Europäische Union kommen sehr viel mehr Menschen von dort nach Deutschland. Doch wie ist es um ihre Situation wirklich bestellt? Welche Probleme ergeben sich dadurch für Frankfurt, und wie könnte man ihnen abhelfen? Dazu hat die „Sozialpolitische Offensive“, ein Zusammenschluss aus Kirchen, Gewerkschaften und anderen Institutionen, eine Studie in Auftrag gegeben und die Ergebnisse in der Weißfrauen Diakoniekirche vorgestellt.

Tina Alicke vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, das die Studie durchführte, betonte, dass die Lebenssituation dieser Menschen sehr unterschiedlich sei: Es kommen sowohl solche mit einem Uniabschluss als auch Ungelernte. Die absoluten Zahlen bewegten sich „in einem überschaubaren Rahmen“: Im Juni 2013 waren gut 12.000 Menschen mit bulgarischer oder rumänischer Staatsbürgerschaft in Frankfurt gemeldet. Den meisten Rumänen und Bulgarinnen gelinge es, sich aus eigener Kraft zu integrieren, was vor allem bedeutet, dass sie eine Wohnung und eine Arbeit finden. Ihre Arbeitslosenquote sei mit 12,5 Prozent nicht höher als in der ausländischen Bevölkerung insgesamt.

Integrationshilfen greifen bei Migration aus Osteuropa nicht

Dennoch gebe es auch etliche Menschen in prekären Lebenslagen, die Unterstützung brauchen. Die Beratungsstellen und Hilfseinrichtungen seien jedoch überlastet, und es fehle an Personal mit entsprechenden Sprachkenntnissen. Hinzu kommt, dass Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus Europa keinen Anspruch auf Integrationshilfen haben, etwa Deutschkurse, wie es sie für Flüchtlinge aus außereuropäischen Ländern gibt. Doch wenn sie nur wenig verdienen, können sie sich den Deutschunterricht auch nicht selbst finanzieren. Zumal viele zwölf und mehr Stunden am Tag arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen. So entsteht leicht ein Teufelskreis. Es gebe auch Unternehmen und Vermieter, die die Notlage dieser Menschen ausbeuten, indem sie zum Beispiel Löhne oder Beiträge zur Krankenversicherung nicht bezahlen, oder Wuchermieten von über 200 Euro pro Bett in überbelegten Wohnungen verlangen.

Die Sozialpolitische Offensive fordert die Stadt Frankfurt deshalb auf, aktiv zu werden: Mehr Kontrollen der Arbeitsbedingungen, insbesondere auf Baustellen und in der Fleischindustrie, mehr sozial geförderter Wohnungsbau, behördliches Einschreiten gegen Mietwucher, mehr Geld für Hilfseinrichtungen sowie eine bessere Vernetzung bestehender Angebote waren einige der Forderungen.

„Nicht die einen gegen die anderen ausspielen!“

Dem stimmte bei der anschließenden Diskussion im Grundsatz auch Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld zu. Besonders für den Bereich Wohnraum gelte die Devise: „Wir brauchen mehr, mehr, mehr!“ Birkenfeld gab aber zu bedenken, dass die Stadt für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen Wohnraum zur Verfügung stellen müsse. Viele warteten schon lange darauf, eine Sozialwohnung zu bekommen, „da dürfen wir nicht die einen gegen die anderen ausspielen.“

Für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen sei diesen März in Hessen ein neues „Vergabe- und Treuegesetz“ in Kraft getreten, das Firmen auch für ihre Subunternehmer und Leiharbeiter in Haftung nimmt. Generell mahnte Birkenfeld Besonnenheit in der Debatte an: „Wir werden von der Migration aus Osteuropa nicht überrollt, sondern können an die Dinge hier in Frankfurt gut und sachlich herangehen.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 11. März 2015 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe , .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.