„Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt“ heißt die neue Denkschrift der Evangelischen Kirche Deutschland: Ihr Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm präsentierte sie in der Evangelischen Akademie.

Heinrich Bedford-Strohm (3.v.li.) diskutiert die Denkschrift zur Arbeit mit dem Wirtschaftswissenschaftler Gustav Adolf Horn (2.v.li) und dem Arbeitspsychologen Tim Hagemann (4.v.li.), sowie weiteren Gästen. Gotlind Ulshöfer (1.v.li.) hat die Veranstaltung in der Evangelischen Akademie organisiert. Foto: Ilona Surrey
Großer Bahnhof für ein 144 Seiten starkes Taschenbuch: Am 28. April stellte die Evangelische Kirche in Deutschland mit ihrem Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm die Denkschrift „Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt“ in der Evangelischen Akademie am Römerberg vor.
Sie bezieht darin klar Position und mobilisiert ein altbewährtes Instrument, das auch in Zeiten des rasanten Wandels der Arbeitswelt nichts von seiner Gültigkeit verloren hat: Die Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Unternehmen.
Für Gewerkschaften
Heinrich Bedford-Strohm, freundlich, konzentriert, zugewandt, spricht von einer „kommunikativen Arbeitsmoral“, die es zu entwickeln gilt. Sie bedeutet „die Mitbestimmung aller am Arbeitsprozess Beteiligter“ auf Basis gleicher Rechte. Die EKD sucht dafür den Schulterschluss mit den Gewerkschaften und hält fest: „Mitarbeit in den Gewerkschaften ist für christliche Arbeitnehmer wesentlicher Ausdruck ihres Berufsethos.“ Und wie hält es die Kirche selbst als einer der größten Arbeitgeber in Deutschland? Bedford-Strohm erklärt den sogenannten Dritten Weg, der kirchliche Arbeitsprozesse in arbeitsrechtlichen Kommissionen regelt und keine Streiks erlaubt. „Würde der Dritte Weg dazu dienen, dass wir soziale Standards senken oder Arbeitnehmer schlecht behandeln, hätte er seinen Anspruch verloren.“
Ethische Maßstäbe
Die Denkschrift formuliert ethische Maßstäbe für die Arbeitswelt. Arbeit ist darin nicht in einem falsch verstandenen protestantischen Arbeitsethos als Selbstzweck oder gar als Religionsersatz definiert, sondern als „kommunikatives Gemeinschaftswerk“, das dem Wohl der Gemeinschaft dient. Gustav Adolf Horn, Vorsitzender der Kammer für soziale Ordnung der EKD und vielgefragter Wirtschaftsprofessor, macht angesichts der Digitalisierung der Arbeitswelt ein weites Aufgabenfeld auf: es reicht von der Erosion der Tarifverträge bis hin zur riesigen Spreizung der Arbeitseinkommen mit einem Niedriglohnsektor, der mittlerweile mehr als 20 Prozent aller Beschäftigten umfasst. „Es ist nicht zu verantworten, dass Arbeitnehmer durch Missachten von Mindeststandards um ihre Rechte betrogen werden“, hält die Denkschrift fest. Als Werte im Prozess des Wandels der Arbeitswelt definiert sie „Selbstbestimmung“ und „Solidarität“. Horn: „Wir empfehlen betriebliche Mitbestimmung als Gestaltungsprinzip auch unter der Herausforderung der Globalisierung.“
In einer Expertendiskussion zur Denkschrift sagt Stefan Hoehl von der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, er finde den „sehr kritischen Ton“ gegenüber der atypischen prekären Beschäftigung „schwierig“. „Es ist nicht alles sozial, was Arbeit schafft“, kontert Gustav Adolf Horn.