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Von – 9. Juli 2015

Der Homo Sapiens und die Religion

Wie sieht es um die Religion aus, wenn man sie aus der Perspektive eines neugierigen Wissenschaftlers sozusagen „von außen“ betrachtet? Das führte der Religions- und Politikwissenschaftler Michael Blume bei einem Vortrag im Haus am Dom vor.

Seltsame Logik: Es glauben mehr Menschen an Schutzengel als an Engel. Foto: DJ Plewka/Fotolia.com

Seltsame Logik: Es glauben mehr Menschen an Schutzengel als an Engel. Foto: DJ Plewka / fotolia.com

Michael Blume, Autor mehrerer religionswissenschaftlicher Bücher und selbst evangelisch, war in Frankfurt Referent bei einer pädagogischen Fachtagung zum Thema „Umgang mit Religionen“.

Zunächst einmal sei festzustellen, dass Religion quasi eine „Universale der Spezies Homo Sapiens“ ist: Die allermeisten Menschen überall auf der Welt sind religiös.

„Not lehrt beten“

Der Grad an Religiosität hänge dabei ziemlich genau mit fünf Faktoren zusammen: dem Geschlecht (Frauen sind religiöser als Männer), der materiellen Absicherung (Menschen in existenziell schwierigen Lebenslagen sind religiöser als Menschen, die sich um das Überleben keine Sorgen machen müssen), der Frühförderung (wer religiös erzogen wurde, ist es mit höherer Wahrscheinlichkeit auch als Erwachsene) und einer „entzaubernden“ Ratio (Gesellschaften, die die Welt wissenschaftlich analysieren, sind weniger religiös als andere).

Doch nicht alle diese Faktoren seien gleichermaßen wichtig, so Blume. Der mit Abstand wichtigste Faktor sei die Frage der materiellen Absicherung – „Not lehrt beten“, wie es auch im Sprichwort heißt. Das erkläre zum Beispiel, warum nach dem Ende der realsozialistischen Regime in Osteuropa die Menschen in Russland wieder in Massen in die Kirchen geströmt seien, während das in der DDR nicht der Fall war. In Russland haben sich nach dem Ende der Sowjetunion die die Lebensbedingungen für viele Menschen drastisch verschlechtert, während die Menschen in der DDR nach der Wiedervereinigung eine stabile Lebensgrundlage hatten.

Migration christianisiert Deutschland

Auch mit einigen Vorurteilen über den Stand der Religiosität in Deutschland räumte Blume auf. So sei es falsch, dass die Einwanderung vor allem Muslime und Musliminnen hierher bringe. „Die Migration nach Deutschland ist dominant christlich“, so Blume: So seien im Jahr 2013 laut Migrationsbericht 139.000 katholische, 107.000 orthodoxe und 9500 protestantische Christinnen und Christen eingewandert, aber nur 57.500 Musliminnen und Muslime (sowie 41.000 Konfessionslose und 1000 Jüdinnen und Juden). „Man könnte sagen, die Einwanderung christianisiert Deutschland.“ Davon profitiere die katholische Kirche, die als Weltkirche organisiert ist (anders als der Protestantismus), ganz besonders.

Richtig sei nach wie vor die Beobachtung, dass die Menschen mehr Kinder bekommen, je religiöser sie sind. Das gelte durch alle Religionen hinweg: Entgegen dem Vorurteil sei auch die Geburtenrate in islamischen Ländern im Verlauf des letzten Jahrhunderts dramatisch gefallen: Von ehemals sieben pro Frau auf heute nur noch unter zwei.

Frauen glauben an Einhörner, Männer an Ufos

In Bezug auf die Glaubensinhalte seien Menschen dabei häufig wenig kohärent. Zum Beispiel glauben mehr Menschen an Schutzengel als an Engel – obwohl man ja eigentlich meinen könnte, dass Schutzengel ebenfalls Engel wären.

Interessante Erkenntnisse hatte der Religionswissenschaftler auch bezüglich der Geschlechterdifferenz: Egal um welchen Glauben es geht, ob den an Götter, Energiewesen oder Einhörner, immer sind Frauen signifikant gläubiger als Männer. Allerdings gibt es eine Ausnahme: An Ufos und Außerirdische glauben deutlich mehr Männer als Frauen.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 9. Juli 2015 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe , .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.