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Von – 9. Juli 2015

Gegen das Vergessen

Tagung erinnerte an den Journalisten und Historiker Ernst Klee

Mehr als 25 Bücher hat Ernst Klee veröffentlicht und dabei auf die Lebensumstände von benachteiligten und ausgegrenzten Menschen aufmerksam gemacht. Eine Tagung würdigte jetzt sein Lebenswerk. Foto: Ilona Surrey

Mehr als 25 Bücher hat Ernst Klee veröffentlicht und dabei auf die Lebensumstände von benachteiligten und ausgegrenzten Menschen aufmerksam gemacht. Eine Tagung würdigte jetzt sein Lebenswerk. Foto: Ilona Surrey

Spätestens als 1974 Menschen aus dem Seminar in Rollstühlen den Straßenbahnverkehr auf der Zeil blockierten, erzählte Georg Gabler, war der Volkshochschul-Kurs „Bewältigung der Umwelt“ von Ernst Klee ein Erfolg. Mit Aktionen wie dieser, so erinnerte sich der Freund und Weggefährte, aber auch mit Publikationen, Filmen oder der Verleihung der „Goldenen Krücke“ an besonders behindertenunfreundliche Institutionen näherte sich Klee seinem Lebensthema: Euthanasie, also das Ermorden von so genanntem „unwertem“ Leben, sowie generell menschenverachtende Medizin im Nationalsozialismus.

Zwei Jahre nach Klees Tod würdigten nun das das Fritz-Bauer-Institut, das Evangelische Stadtdekanat und die Evangelische Akademie den Frankfurter Theologen, Journalisten und Historiker mit einer Tagung. „Unermüdlich, hartnäckig, unbequem“ sind die Charakterzüge, mit denen die Beitragenden Ernst Klee immer wieder beschrieben. Er habe gesellschaftlichen Randgruppen eine Stimme gegeben.

In der Frankfurter Kirche war Klee auch als „männliche Pfarrfrau“ bekannt: Der Ehemann der Rödelheimer Pfarrerin Elke Klee engagierte sich aktiv in der Cyriakusgemeinde, vom Spülen und Putzen bis zur Jugendarbeit.

Ernst Klee 2003 auf der Frankfurter Buchmesse. Foto: picture-alliance

Ernst Klee 2003 auf der Frankfurter Buchmesse. Foto: picture-alliance

Ein Meilenstein in Klees journalistischer Arbeit war die 1985 publizierte Dokumentation „Euthanasie im NS-Staat“. Jahrelang hatte er dafür recherchiert und der Verdrängung bittere Tatsachen entgegen gesetzt. Sein „Kampf wider das Vergessen“ war, wie Walter Pehle, Klees Lektor beim S. Fischer-Verlag, hervorhob, eine kaum zu überschätzende Lebensleistung.

Mehr als 25 Bücher hat Klee publiziert, darunter 1997 „Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer“, 2003 das „Personenlexikon zum Dritten Reich“, 2007 das „Kulturlexikon zum Dritten Reich“ und posthum 2013 das „Personenlexikon über Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde“. Seine Forschungsergebnisse wurden international diskutiert, trotzdem war es ein einsamer Kampf. Gerade die Zunft, der er einen Dienst erwies, versagte ihm die Anerkennung oder begegnete ihm gar mit Häme: Viele Historiker sahen in Klees Anliegen eine Konfrontation mit den eigenen Versäumnissen oder gar der eigenen Schuld.

Für Überlebende des Holocaust hingegen war die Anstrengung, die Ernst Klee auf sich nahm, um aus der Anonymität der Nummern Lebensgeschichten und Namen herauszudestillieren, von unvergleichlicher Bedeutung, wie die Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Abendroth betonte.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 9. Juli 2015 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe .

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Dr. Silke Kirch studierte Germanistik, Kunstpädagogik und Psychologie in Frankfurt am Main und ist freie Autorin und Redakteurin.