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Von – 4. September 2015

Norbert Lammert: „Politik und Religion sind Gegenpole“

Politik und Religion sind Gegenpole, glaubt Norbert Lammert: „Religionen vertreten Wahrheiten. Die Politik Interessen.“ Der Bundestagspräsident war der prominenteste Referent bei einer Tagung über europäische Kulturkämpfe in Frankfurt.

Bundestagspräsident Norbert Lammert im Frankfurter Dominikanerkloster.

Bundestagspräsident Norbert Lammert im Frankfurter Dominikanerkloster.

Der große Vortragssaal im Frankfurter Dominikanerkloster ist fast voll besetzt. Vorn am Podium steht Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Er ist der prominenteste Gast der wissenschaftlichen Tagung „Europäische Kulturkämpfe und ihre gegenwärtige Bedeutung“, zu der Referentinnen und Referenten aus Deutschland, Italien, Frankreich und der Schweiz in den Tagen zuvor im Spenerhaus in der Innenstadt zusammengekommen waren. Einer der Kooperationspartner unter den veranstaltenden Institutionen war die Evangelische Akademie Frankfurt.

Droht uns ein neuer Kulturkampf? Zu diesem Thema spricht der Bundestagspräsident und betont die Aktualität der Fragestellung, mit der der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington 1996 eine Kontroverse unter Intellektuellen auslöste, als er von einem „Clash of civilizations“ schrieb. Seit der Islamische Staat seine Gräueltaten verübe, könne man nicht mehr von einem Dialog der Kulturen, sondern müsse tatsächlich einem Kampf sprechen, sagt Lammert. Allerdings werde der Begriff in der öffentlichen Debatte „inflationär verwendet“.

Derzeit spitze sich vieles zu. Die Diskussion um die multikulturelle Gesellschaft habe sich verändert. „Der empirische Sachverhalt, dass wir eine multikulturelle Gesellschaft haben“ sei lange verleugnet worden. Auf der anderen Seite sei es auch falsch gewesen, gebetsmühlenartig das Bekenntnis zur multikulturellen Gesellschaft zu wiederholen, „als ersetze dieses Bekenntnis die Beantwortung der Frage, wie man mit dem Sachverhalt umgeht“.

Erst in jüngerer Zeit habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, „dass es ist wie es ist und wir neue Antworten finden müssen“. Den grundsätzlichen Konflikt zwischen staatlichen Regelungen und dem Wahrheitsanspruch der verschiedenen Religionen hält Norbert Lammert im Kern nicht für lösbar: „Auch und gerade in modernen Gesellschaften hat sich das Spannungsverhältnis nicht erledigt.“

Die interdisziplinäre Tagung im Spenerhaus beschäftigte sich aus Anlass des 200. Geburtstages von Otto von Bismarck mit Auseinandersetzungen zwischen Nationalstaaten und Religionsgemeinschaften, als es von 1871 an um eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen Staat und Katholischer Kirche ging. „Es war kein Zufall, dass das zur Einführung des Unfehlbarkeitsdogmas geschah“, resümiert Lammert.

Derzeit erlebten die Religionen eine „erstaunliche Revitalisierung“, und das grundsätzliche Bedürfnis der Menschen, Religionen eine Bedeutung beizumessen, bleibe unverändert. Auch die Frage, ob der Islam mit demokratischen Strukturen vereinbar sei, behandelte Lammert. Ziehe man von der Geschichte des Christentums die 600 Jahre ab, die der Islam jünger ist, erkenne man wenig Demokratisches. Politik und Religion bleiben laut Lammert Gegenpole. „Religionen vertreten Wahrheiten. Die Politik Interessen.“ Das zu leugnen banalisiere die Religion. „Doch Religion ist nicht banal. Politik übrigens auch nicht.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 4. September 2015 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe , .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Friedrich Peter Niebling schrieb am 13. September 2015

    Religionen vertreten Wahrheiten? Mit welchem Interesse? Die Politik vertritt Interessen? Mit welchen Wahrheiten? Religion und Politik sind Gegenpole? Sind´s nicht eher die zwei Seiten einer Medaille? Ein heilsames Leben braucht Verhandlung (Interessenvertretung). Die Verhandlung braucht und schafft zu ihrer Heilung Erkenntnisse. Ein Heilsames Leben braucht Erkenntnisse. Erkenntnisse brauchen zu ihrer Heilung die Religion(Rückbindung). Ein Heilsames Leben braucht die Rückbindung(Religion). Die Religion braucht zu ihrer Heilung die Wahrheit. Ein heilsames Leben braucht die Wahrheit. Die Wahrheit braucht zu ihrer Heilung???????