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Von – 3. September 2015

Von wegen „Heiliger Krieg“: Gott kämpft für die Menschen, nicht andersrum

Nicht nur im Islam, auch im Christentum gab es Gotteskrieger, die den Glauben mit Waffengewalt in die Welt tragen wollten. Eigentlich ist es nach jüdisch-christlichem Verständnis aber genau andersrum: Gott kämpft für die Menschen, nicht die Menschen für Gott. 

Der Dschihad, der „heilige Kampf”, ist im Islam ein Sich-Abmühen auf dem Wege Gottes.  Das hat einen spirituell-ethischen und gewaltfreien Aspekt, zum Beispiel im Kampf gegen Unterentwicklung. Aber es gehört auch zu den Zielen eines frommen Muslims, die nicht-islamische Welt zu einer islamischen zu machen. Nicht alle schließen dabei Gewalt im Sinne eines bewaffneten Kampfes gegen Heiden aus. So hat Osama bin Laden die Anschläge des 11. September als den Beginn einer „Schlacht zwischen dem Glauben und dem Unglauben” bezeichnet.

Religiös aufgeladen war aber auch die Sprache der Gegenseite. US-Präsident George W. Bush, bekennender christlicher Fundamentalist, propagierte umgehend einen „Kreuzzug” gegen die „Achse des Bösen”. Das Christentum ist also keineswegs immun gegen die Inanspruchnahme Gottes für einen bewaffneten Kampf. Papst Urban rief im Jahr 1095 mit den Worten zum ersten Kreuzzug auf: „Wendet die Waffen gegen die Feinde des christlichen Namens und Glaubens. Die Diebe, Räuber, Brandstifter und Mörder werden das Reich Gottes nicht besitzen.“ Das liegt erschreckend nah bei der Gedankenwelt eines Osama Bin Laden.

Dabei hatte sich schon seit dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert im Judentum die Vorstellung durchgesetzt, dass der eigentliche Souverän Gott ist, der Menschen allenfalls als Werkzeuge gebraucht. Dass in Glaubensdingen von militärischer Stärke absolut nichts abhängt und Gott als alleiniges Subjekt des Geschehens auftritt, wird zum Beispiel in der Geschichte von David und Goliath klar: Mit Gott an seiner Seite bezwingt der Hirtenjunge David, der nur mit seiner Steinschleuder bewaffnet ist, den hochgerüsteten Riesen Goliath.

Die Vorstellung, dass allein Gott Streit führt und Gerechtigkeit durchsetzt, während die Menschen Statisten bleiben, entwickelte sich im Judentum aus der Erfahrung heraus, dass Israel seine staatliche Identität verloren hatte und politisch-militärisch zur Ohnmacht verurteilt war. Die Lehre daraus: Zukunft kommt nie durch militärische Überlegenheit, sondern allein durch Gottes Kraft. Die Verherrlichung des Krieges ist nicht mehr angezeigt, und Schwerter können zu Pflugscharen umgeschmiedet werden. Denn Jahwe kämpft für sein Volk, nicht umgekehrt.

Seinem Volk für immer Frieden zu schaffen, das wird schließlich ganz ohne menschliches Zutun in Aussicht gestellt: Der Messias, Gottes Gesalbter, wird die Heilszeit und den universalen Frieden herbeiführen, und das nicht mit Gewaltorgien, die Bösen werden vielmehr „mit dem Stock seines Wortes” und „mit dem Hauch seines Mundes“ getilgt. Das „Gott mit uns” auf den Koppelschlössern deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg stellt vor diesem Hintergrund eine absolut groteske und anmaßende Umkehrung der Verantwortlichkeiten dar.

Auch nach neutestamentlicher Überlieferung ist und bleibt es Gott allein, der die Welt in der Hand hat und ihr Frieden schafft. Und zwar nicht durch einen Gewaltakt, sondern durch die Entmachtung aller todbringenden Mächte, die am Kreuz geschehen ist. Hier läuft sich alles Böse tot, hier wird jeder Kampf überflüssig, denn hier erstrahlt Gottes Barmherzigkeit und Liebe. Der „heilige Krieg” kann jetzt allenfalls darin bestehen, dass die christlichen Gottesstreiter böse Mächte in sich selbst überwinden und den am Kreuz gemachten Frieden in die Welt hineinbringen. Von der Feindesliebe getragen, verbreiten ihre (geistlichen!) Waffen nicht Tod, sondern Versöhnung, Leben und Licht.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 3. September 2015 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe , .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.