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Von – 5. Oktober 2015

Feiern zur Deutschen Einheit: Jugend in der Nische

Unter dem Motto „WallCity – 4 Orte in der Stadt, wo du Mauern überwinden kannst“ hatten die evangelische und katholische Jugend sich am Tag der deutschen Einheit in Frankfurt beteiligt. Aber die Jugend, und damit die Zukunft, blieb zu leise und zu unsichtbar. Überlegungen von Silke Kirch.

Graffitiaktion im Hinterhof im Rahmen der Reihe "Wall City" der christlichen Jugend in Frankfurt am 3. Oktober. Foto: Silke Kirch

Graffitiaktion im Hinterhof im Rahmen der Reihe „Wall City“ der christlichen Jugend in Frankfurt am 3. Oktober. Foto: Silke Kirch

Tag der Wiedervereinigung, strahlende Sonne, die ich bei einer Tasse Kaffee genieße, weil die Ausstellung, die ich mir ansehen möchte, noch nicht zugänglich ist. Ich besuche stattdessen einen Gottesdienst in der Katharinenkirche, bewundere die leuchtenden Farben und Motive der Glasfenster, die Bachkantate, die vorgetragen wird, sowie den zweigeteilten weißen Schleier, der von der Decke herabhängend den Altarraum umspielt, wie riesige Flügel, wie Fittiche.

Später hat die Ausstellung in der Jugendkulturkirche Sankt Peter dann ihre Pforten geöffnet. „Being German“ heißt das Motto. Jugendliche verschiedener Kulturen haben sich in einem Kunstworkshop mit der Frage auseinandergesetzt, was es bedeutet, deutsch zu sein. Außer mir und meiner Begleitung ist allerdings kein Besucher, keine Besucherin hier. Im großen Innenraum der Kulturkirche läuft einsam ein aufwändig gezeichneter Film vor leeren Zuschauerreihen, an Bauzäunen hängen Collagen und Malereien, die sehr wenig Auskunft über den gemeinsamen künstlerischen Prozess geben. Im Nebenraum steht ein Trabbi vor einer Fotowand mit Herbstwald und hat einen Flyer auf dem Kühler, der mir sagt, dass die Einheit bunt ist.

Ich wähle den Weg in die Sonne und laufe hinüber zum Kolpinghaus, wo die Katholische Jugend Frankfurt und die Jugendkirche JONA dazu eingeladen haben, zusammen mit jugendlichen Flüchtlingen über das Thema „Welcome“ in einen Austausch zu kommen. Gemeinsam sollen Mauern mit Graffiti verschönert werden; es sind nicht wirklich Mauern, es sind große Holzbretter. Die Jugendlichen tragen weiße Schutzanzüge und Atemschutzmasken und sind von Ferne kaum zu unterscheiden, sie wirken vertieft in ihren Austausch, der weniger über die Sprache als über das Tun vonstatten geht – sie sind hier auf dem Hinterhof ganz für sich, sie sind ungestört, und sie scheinen einander zu verstehen, aber wer auf der Straße am Kolpinghaus vorbeiläuft, wird auf diese Veranstaltung kaum aufmerksam.

Ich laufe zurück in das pulsierende Zentrum des Festes. In der Katharinenkirche soll es nun eine Aktion zum Thema „Was macht dein Leben reich?“ geben. Ein wenig hatte ich erwartet, dass der Kirchenraum bespielt wird, aber die Flachbildschirme dort gehören zu einer künstlerischen Installation. Das Evangelische Jugendwerk bespielt eine enge Nische im Seitenausgang. Es geht darum, mit einer Postkarte, einem Ballon und einem Geldstück loszulaufen und Passanten zu fragen, welches dieser Dinge sie gerne geschenkt haben möchten. Die Erfahrungen werden von den Kindern schriftlich gesammelt.

Ich bin etwas irritiert, dass der jungen Generation, für die „Einheit“ eine immense gegenwärtige und zukünftige Aufgabe ist, an diesem Tag nur eine Nebenrolle zukommt. Diese Generation meistert das Zusammenleben ja jeden Tag, in der Schule, in der Peer Group, oder eben auf dem Hof des Kolpinghauses. Ihr großes Engagement und Potenzial ist aber nur am Rande wahrnehmbar und auch nur für, wenn man hinter Mauern und in Nischen danach sucht.

Die Zukunft ist zu leise an diesem 25. Jahrestag der deutschen Einheit.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 5. Oktober 2015 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

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Dr. Silke Kirch studierte Germanistik, Kunstpädagogik und Psychologie in Frankfurt am Main und ist freie Autorin und Redakteurin.