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Von – 19. November 2015

Fair Finance Week: Banken schöpfen Geld aus dem Nichts

Zur Fair Finance Week trafen sich kritische Banker und Wissenschaftler in der Katharinengemeinde. Mit dabei auch der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir.

„Brauchen wir eine neue Geldordnung?“ darüber diskutierten Banker und Ökonomen in der Katharinengemeinde, darunter auch der hessische Wirtschaftsminister Tarik Al-Wazir. Foto: Rolf Oeser

„Brauchen wir eine neue Geldordnung?“ darüber diskutierten Banker und Ökonomen in der Katharinengemeinde, darunter auch der hessische Wirtschaftsminister Tarik Al-Wazir. Foto: Rolf Oeser

Thomas Mayer hat eine rasante Verwandlung hinter sich: Von einem führenden Protagonisten des Finanzsystems hat sich der Kieler Volkswirt zu einem seiner größten Kritiker gewandelt. Zwischen 1983 und 1990 war er beim Internationalen Währungsfonds in Washington tätig, zwischen 1991 und 2002 für die Investmentbank Goldman Sachs in London Mit 60 Jahren hat Mayer dann er alles, woran er bis dahin glaubte, über den Haufen geworfen, und ein Buch geschrieben: „Die neue Ordnung des Geldes“. Nun ist er überzeugt: Die Geldordnung, auf der unser gesamtes Wirtschaftssystem basiert, ist zum Scheitern verurteilt. „Je mehr ich mich damit beschäftigte“, erzählt er unter großem Beifall aus dem Publikum, „desto klarer wurde mir, dass das ein Problem im System ist.“

An diesem Novembertag ist Thomas Mayer zu Gast im voll besetzten Gemeindehaus von Sankt Katharinen in der Frankfurter Innenstadt. „Brauchen wir eine neue Geldordnung?“ lautet die Frage des Abends. Mayer spricht im Rahmen der Fair Finance Week über sein Modell des „Vollgelds“. Vollgeld steht für ein vollgültiges gesetzliches Zahlungsmittel, herausgegeben durch die Zentralbank. Wie kann Banking fair gestaltet werden? Welche Rolle spielt Geld für den gesellschaftlichen Wandel?

Diesen Fragen widmen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Politikerinnen und Politiker sowie Akteurinnen und Aktuere der Zivilgesellschaft bei der Fair Finance Week. Zu den Veranstaltern gehören die Evangelische Kirche Frankfurt und die Evangelische Sankt Paulsgemeinde. Das Fair Finance Network Frankfurt besteht aus der Evangelischen Bank Frankfurt, der GLS Bank Frankfurt, der Triodos Bank Frankfurt und dem Oikocredit Förderkreis Hessen-Pfalz.

Neben Thomas Mayer sitzen Helge Peukert, Wirtschaftswissenschaftler aus Erfurt, die Moderatorin Elke Pickartz und Hessens stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) auf dem Podium. Al-Wazir sagt: „Mehr Nachhaltigkeit im Finanzwesen bedeutet unter anderem die Rückbesinnung der Finanzmärkte auf ihren eigentlichen Auftrag: Kapital für wirtschaftliche Entwicklung zur Verfügung zu stellen, die das Gemeinwohl im Blick hat.“

Seit einem halben Jahrzehnt steht die Welt staunend und erschüttert vor den Folgen des Beinahe-Zusammenbruchs Finanzsystems und dem drohenden Bankrott ganzer Staaten. Thomas Mayers Analyse basiert auf einer radikalliberalen Denkrichtung der Wirtschaftswissenschaften, der sogenannten „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“. Die Anhänger dieser Denkschule kritisieren vor allem die ungebremste Kreditgeldschöpfung durch Banken und Notenbanken. Statt ständig ungedeckt neues Geld zu schaffen, müsse die Geldmenge begrenzt werden. Alles Geld müsse jederzeit in Gold umgetauscht werden können. „Wenn Sie längere Zeit im Finanzmarkt tätig sind, merken Sie: Das funktioniert alles nicht. Die Märkte sind nicht effizient. Die Modelle aus den Lehrbüchern versagen.“

Auch Peukert, Wirtschaftswissenschaftler und Autor des 2013 erschienenen Buchs „Das Moneyfest: Ursachen und Lösungen der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise“, stimmt ihm in vielen Punkten zu. Peukert gehört zur wachsenden Gruppe so genannter heterodoxer Ökonomen, die der in den Wirtschaftswissenschaften vorherrschenden „Neoklassik“ kritisch gegenüber steht.

Auch er kritisiert im Gemeindesaal, der nur ein paar hundert Meter von den Frankfurter Bankentürmen entfernt liegt, die Grundlagen des derzeitigen Geldsystems: „Banken schöpfen bei der Kreditvergabe Geld aus dem Nichts. Das kann nicht gutgehen.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 19. November 2015 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe , .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.